Ramadan in Damaskus – „Ein riesen Event“ Jamal kommt aus Syrien, den Ramadan erlebt er in Münster vollkommen anders als in seiner Heimat

Jamal Fadloun zu Gast in einer beliebten syrischen Smoothie und Juice Bar in Essen (Foto: Alina Dähne-Freudenthal)
Jamal Fadloun zu Gast in einer beliebten syrischen Smoothie und Juice Bar in Essen (Foto: Alina Dähne-Freudenthal)

Mit 19 Jahren hat Jamal Fadloun den Ramadan zum letzten Mal in Damaskus, der Hauptstadt Syriens, erlebt. Mittlerweile ist Jamal 25 Jahre alt und wohnt in Münster. Er erzählt uns heute von den damals erlebten traditionellen Ramadanen und berichtet außerdem, wie sich der Fastenmonat für ihn verändert hat, seitdem er in Münster lebt.

Bunte Lichter und farbenfrohe Dekorationen schmücken die Straßen von Damaskus. Supermärkte und Geschäfte öffnen erst am Vormittag, haben aber bis tief in die Nacht geöffnet. Staatliche Behörden schließen bereits um 12 Uhr. An jeder Ecke sind endlich wieder die ganz besonderen Speisen und Getränke erhältlich, die es nur in diesem einen Monat zu kaufen gibt. Klar ist: der Ramadan hat begonnen. Muslim:innen auf der ganzen Welt begehen den Ramadan und fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. In dieser Zeit geht es darum, sich mit seinem Glauben auseinanderzusetzen und, wie Jamal beschreibt, eine achtsamere Beziehung zu Gott zu finden. Neben diesem religiösen Aspekt spielt aber auch das Gemeinschaftliche eine große Rolle. Abendliche Treffen mit der Familie und Freund:innen fanden bei Jamal damals den ganzen Monat über statt.

Bereits am Nachmittag hat die Familie begonnen sich auf das Fastenbrechen am Abend, beziehungsweise auf das sogenannte „Frühstück“, vorzubereiten. Auf bunt geschmückten Märkten wurde eingekauft, anschließend wurde gemeinsam mit den Familienmitgliedern gekocht. Jamal selber hat sich zu dieser Zeit am liebsten draußen aufgehalten und die Ruhe auf den Straßen Damaskus genossen. In einem leicht melancholischen, aber freudig zurückerinnernden Ton, beschreibt Jamal die Stimmung in seiner Heimatstadt kurz vor dem Fastenbrechen: „Absolute Ruhe“. Geschäfte haben nun vorrübergehend geschlossen, kein Auto fährt mehr. Denn die meisten Leute sind bereits zu Hause bei der Familie und warten auf das Fastenbrechen.

Das Fastenbrechen in Jamals Familie begann, sobald das vierte Gebet des Tages von der Moschee, die dem Haus am nächsten liegt, zu hören war. Nicht selten saß Jamal dann zwischen weiteren 30 Leuten, denn gefrühstückt wird am liebsten im großen Kreis. Nach dem langersehnten und ausgiebigen Essen folgt noch das Abendgebet und je nach Lust und Laune wird der Abend entweder Zuhause oder auf den wieder belebten Straßen Damaskus verbracht. Jamal genoss den Abend gern mit der Familie. Hier wurden dann gemeinsam Spiele gespielt oder Serien geschaut. Denn ein Highlight im Ramadan ist, dass in diesem Monat täglich neue Serien herausgebracht werden. Produktionen arbeiten daraufhin, dass pünktlich zum Ramadan Serien fertiggestellt und veröffentlich werden können. Es wird deutlich, dass sich der Ramadan durch die gesamte Gesellschaft und das gesamte System zieht und auf allen Ebenen mitgedacht wird.

„Leute sind draußen auf den Straßen und das Fastenbrechen kann die ganze Nacht dauern“

Ich frage Jamal, was sich an dem Ramadan für ihn geändert hat, seit er in Münster lebt. Schmunzelnd, aber klar und deutlich antwortet er: „Alles“. Beispielhaft vergleicht er die abendlichen Stunden hier mit denen in Ägypten, wo er ein Jahr lang studiert hat. In Münster schließen einige Läden bereits um 20 Uhr und auf den Straßen wird es allmählich ruhiger. In Ägypten hingegen erwacht die Stadt beim Ramadan zu dieser Uhrzeit erst richtig zum Leben. Supermärkte und Restaurants haben bis vier Uhr nachts geöffnet, Leute sind draußen auf den Straßen und das Fastenbrechen kann die ganze Nacht gefeiert werden. Und zwar in Gemeinschaft. Jamal nimmt es heute in Münster so wahr: „Man merkt, dass der Vibe nicht da ist. Wenn du alleine das feierst, dann ist es halt dein eigenes Ding. Dann ist es kein Zugehörigkeitsgefühl mehr, dann ist es keine Gemeinschaft mehr. Sondern du bist ja allein. Und Ramadan für mich ist ja eigentlich Gemeinschaft.“

Jamal lebt seit seit sechs Jahren in Deutschland. (Foto: Lisa Marie Güth)
Jamal lebt seit seit sechs Jahren in Deutschland. (Foto: Lisa Marie Güth)

Die Gemeinschaft konnte Jamal sich jedoch wenigstens ein bisschen herstellen – wenn auch nicht mit der Familie, dann aber mit ein paar Kommiliton:innen, die ebenfalls einmal in Syrien gelebt haben. Circa einmal die Woche haben sie sich getroffen und gemeinsam das Frühstück vorbereitet und genossen. Außerhalb dieses Kreises hat Jamal jedoch selten für sich gekocht oder das Fastenbrechen zelebriert, denn: „Es gibt dieses Feeling nicht, es gibt diese kollektive Freude auf das Essen nicht“. Verständlich findet Jamal das, die leichte Wehmut über den traditionellen Ramadan ist aber dennoch in unserem Gespräch nicht zu überhören. Jamal hat sich damit abgefunden, dass er hierzulande nicht in die gleiche Stimmung des Ramadans kommt, wie in Damaskus. Wenn es ihm möglich war, machte er gerne einen Ausflug nach Essen, um dort eine beliebte syrische Smoothie und Juice Bar aufzusuchen und sich ein bisschen „Damaskusstimmung“ nach Deutschland zu holen.

Der Fastenmonat endet mit dem Eid al-Fitr, dem Fest des Fastenbrechens, auch Zuckerfest genannt. Es stellt den Höhepunkt der Fastenzeit dar und wird drei Tage lang gefeiert. Wieder geht es um Familie, Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Dieses Jahr begann das Zuckerfest am Abend des 1. Mai. An diesen Tagen erinnert Jamal sich zurück an Damaskus‘ überfüllte Straßen, Bars und Restaurants. In den Friseursalons hingegen kehrte langsam schon wieder Ruhe ein – diese wurden bereits die Tage und Nächte zuvor aufgesucht, damit das Zuckerfest schick frisiert gefeiert werden kann. Jamal berichtet, dass sich traditionell zu Beginn des Zuckerfests alle Männer der Familie treffen und nach und nach die in der Stadt verteilten Familienmitglieder besuchen. Nach diesen Besuchen trifft sich die Familie wieder im kleineren Kreis und es wird gemeinsam gegessen, gespielt und getanzt.

Diese Tradition ist Jamal hier in Deutschland nun nicht mehr möglich. Gefeiert hat er somit nicht wie damals, dennoch hat er aber mit ein paar Freund:innen das gemeinsame Essen genossen. Jamal hat also mit der Zeit seinen ganz eigenen Weg gefunden, den Ramadan in Deutschland zu begehen. Dabei werden aber natürlich nicht die bunten Lichter und die farbenfroh geschmückten Straßen, wie er sie in Syrien oder Ägypten erlebt hat, vergessen. Doch diese Bilder holt er sich zumindest zu einem Teil auch hierher nach Münster.

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