Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Ermittlungen gegen unter anderem acht SEK Beamte der Polizei Münster eingestellt wurden. Sie hatten im vergangenen Sommer in Chats auch rassistische und misogyne Nachrichten geteilt. Die antifaschistische Gruppierung „Schwurbelbusters“ hatte am Nachmittag vor der Polizeiwache Innenstadt zu einer Mahnwache gegen „rechtsextreme Rassisten bei der Polizei Münster“ aufgerufen – und kassierte noch vor dem eigentlichen Versammlungsbeginn von den dortigen Beamten eine Anzeige.
Hitler-Bilder, kinder- und jugendpornografische Inhalte und Hetze gegen Geflüchtete – all das war durch Chatgruppen von insgesamt 16 Beamten geschickt worden. Nach dem Bekanntwerden nahm aus Neutralitätsgründen das Polizeipräsidium Bielefeld die Ermittlungen auf und die Polizisten wurden suspendiert. Nun, ein Jahr später, wurden die Akten geschlossen und der Großteil der Beamten muss keine juristischen oder disziplinarischen Konsequenzen befürchten. Der Grund: Die infrage kommenden Straftatbestände setzen eine Öffentlichkeit voraus. Lediglich drei Polizisten, die kinderpornografische Inhalte geteilt hatten, mussten für die Einstellung eine Geldstrafe zahlen.
Schwurbelbusters: „Einschüchterungsversuche“
Dem Aufruf zur Kundgebung vor der Polizeiwache am Alten Steinweg / Julius-Voos-Gasse waren rund 100 Personen gefolgt. Schon vor Beginn hätten die Polizisten Einschüchterungsversuche unternommen, beklagt Isaak Rose, Mitglied des Vorstands der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) Münster. So wurde ein Plakat mit der Aufschrift „Alerta! Alerta! Rechtsextreme Rassisten bei der Polizei Münster“ beschlagnahmt, da die Beamten freigesprochen worden seien. „Das stimmt einfach nicht“, so Rose. „Da wird wieder mit Halbwissen um sich geworfen, um Menschen bei ihrer Meinungsäußerung einzuschüchtern.“ Man habe sogar angeboten, das Plakat selber zu entfernen, wenn man denn die genauen strafrechtlich relevanten Teile benennen würde.
Im Verlauf unterbrachen die Beamten, darunter einer mit einem auffälligen Deutschland-Aufnäher, die Redebeiträge mehrfach, da zum Beispiel der angemeldete und im Vorfeld genehmigte Platz der Versammlung nicht korrekt sei. Selten habe es in der Vergangenheit bei Demos Probleme mit der Polizei gegeben, resümiert Isaak Rose. Hin und wieder habe es Sticheleien gegeben. „Aber das heute war ein absoluter Tiefpunkt und peinlich für die Polizei Münster“.
Versetzung in Innendienst
Die suspendierten Beamten aus Münster sind, bis auf eine Ausnahme, nicht wieder im SEK eingesetzt, wie Polizeisprecherin Antonia Linnenbrink auf Anfrage von ALLES MÜNSTER bestätigte. Sie wurden mit anderen Aufgaben betraut. „Das begrüßen wir, beseitigt das Problem aber nicht“, hieß es zuvor im Aufruf der Schwurbelbusters. Das Problem habe System, eine lückenlose und antifaschistische Aufklärung sei notwendig. „In keiner staatlichen Struktur dürfen rechtsextreme Tendenzen geduldet werden. Das gilt insbesondere für den Teil der Staatsgewalt, der das Gewaltmonopol innehat.“ Eine unabhängige Distanz, die jegliches Fehlverhalten in den Strukturen der Polizei prüft, sei längst überfällig. Es dürfe nicht länger zugelassen werden, dass der Korpsgeist vorherrsche und sich gegenseitig geschützt werde.
Entlassung gefordert
Auch das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ fordert die Entlassung der beteiligten Polizisten und spricht von einem handfesten Skandal. „Die Voraussetzungen für eine Entlassung der Beamten, die an extrem rechten Chats beteiligt waren, aus dem Dienst sind gegeben, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist da eindeutig“, stellt Bündnissprecher Carsten Peters fest. „Es ist unverständlich, warum die Polizei diese Möglichkeit nicht ausschöpft und sich alleinig auf eine strafrechtliche Bewertung der Chats zurückzieht. Menschen, die solchen menschenverachtenden Inhalte teilen, sind bei der Polizei und anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes eine Gefahr für die Demokratie!“ Das Bündnis bezieht sich auf eine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2017. Dort stellte es in einem Urteil fest: „Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten des Beamten voraus.“ Somit sei für eine Entlassung irrelevant, ob die Chats öffentlich und damit strafrechtlich zu ahnden waren.
Gefahr für die Demokratie
„Über die Frage nach der Verfassungstreue von Menschen, die Hitler-Bilder, Rassismus, Misogynie und die sexualisierte Darstellung Jugendlicher ansprechend oder gar lustig finden, müssen und werden wir nicht diskutieren“, ergänzt Bündnissprecherin Liza Schulze-Boysen, „man kann solche Leute nicht zurück in den Polizeidienst holen und gleichzeitig landauf, landab propagieren, man würde es mit dem Kampf gegen Rechts in den eigenen Reihen ernst meinen, das ist ein schlechter Witz.“ Auch eine mögliche Versetzung in den Innendienst stellt für das Bündnis keine Lösung dar. „Die Arbeit im Innendienst bedeutet weiterhin Zugriff auf sensible Informationen und Waffen bei vollen Bezügen – das löst das Polizeiproblem kein Stück“, so Peters weiter. „Wenn Menschen, die solche menschenverachtende Inhalte teilen, bei der Polizei arbeiten, stellt das eine Gefahr für unsere Demokratie dar. Hier muss jetzt gehandelt werden!“
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