„Mogelpackung und Spaltungsversuch“ 40 Tage Streik der Pflegekräfte / NRW-Unikliniken stellen Konzept mit Entlastungstagen vor / Kritik der Arbeitnehmer

Die NRW-Unikliniken, darunter auch das UKM, wollen mit zusätzlichen freien Tagen ihre Pflegekräfte entlasten. (Foto: Carsten Pöhler)
Die NRW-Unikliniken, darunter auch das UKM, wollen mit zusätzlichen freien Tagen ihre Pflegekräfte entlasten. (Foto: Carsten Pöhler)

Die Unikliniken in NRW setzen sich im Rahmen der laufenden Gespräche mit der Gewerkschaft ver.di über einen „Tarifvertrag Entlastung“ (TVE) für einen weiteren Personalaufbau in der Pflege ein. Ziel sei es, damit den Personalaufbau der letzten Jahre fortzusetzen. In den Verhandlungen stellten die Kliniken nun ein Konzept vor, das die Pflegekräfte in der Patientenversorgung „einfach, unbürokratisch und fair bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe unterstützt“. Den Arbeitnehmern ist das aber zu wenig, der Streik geht weiter.

*** Update: Neue Streikmaßnahmen sind vorerst bis zum 17. Juni angekündigt, es ist also weiterhin mit erheblichen Auswirkungen auf die Krankenversorgung zu rechnen, meldet das UKM heute (11.6.) auf Twitter ***

Die Universitätskliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster „gehen mit ihrem Vorschlag in Vorleistung“, wie es in einer gemeinsamen Medienmitteilung von Freitag heißt. So sollen alle Mitarbeitenden, die in der Pflege am Patienten arbeiten, Entlastungstage erhalten. Diese sollen den Pflegenden so lange zusätzliches „Frei“ ermöglichen, bis die noch gemeinsam zu vereinbarenden Soll-Besetzungen des Personals erreicht sind. Der vereinbarte Personalaufbau soll hierbei in mehreren Stufen umgesetzt werden. Konkret beinhaltet der Vorschlag fünf zusätzliche freie Tage für Pflegekräfte im Schichtdienst in der ersten Entlastungsstufe. Gelingt der Personalaufbau und damit auch die Entlastung in der täglichen Arbeit, soll die Anzahl der freien Tage nach und nach heruntergefahren werden.

„Die Entlastung wirkt sofort“

„Der Weg ist so einfach gestaltet, dass man nicht um einzelne Belastungssituationen streiten und auch keine zusätzliche Bürokratie schaffen muss, um komplizierte Regeln nachzuhalten“, wirbt Peter Asché, Direktor des Universitätsklinikums Aachen, für das vorgelegte Konzept. „Und das Wichtigste: Die Entlastung wirkt sofort.“ Alexander Pröbstl, Pflegedirektor der Uniklinik Bonn, ergänzt: „Wir bauen über diesen innovativen Weg Personal auf – wie gefordert und auch von uns gewollt. Wenn wir das nicht im gemeinsam festgelegten Umfang schaffen, bleiben den Beschäftigten die Entlastungstage erhalten.“ Entweder freie Tage oder mehr Personal – die Pflege könne also nicht verlieren, so Pröbstl weiter.

Großdemo von „Münster Cares“ am Dienstag

Für Lisa Schlagheck, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin in der UKM-Notaufnahme, ist das vorgelegte Angebot ein Anfang, „aber lange nicht das, was wir fordern oder brauchen, da es nur Pflegekräfte betrifft“, sagt sie nach 40 Tagen im Streik und vielen Gesprächen in der Tarifkommission der sechs Krankenhäuser. „Wir benötigen Entlastung und Personal für alle Berufsgruppen im Krankenhaus.“ Der Streik werde daher fortgeführt und so lange gehen, bis der TVE kommt. Für Dienstag plant die Initiative „Münster Cares“, in der sich die 29-Jährige engagiert, ihre nächste Großdemonstration.

Mogelpackung und Spaltungsversuch

Um das „System Krankenhaus“ am Laufen zu halten, sei weitaus mehr nötig, als gestern angeboten wurde, betont Gesundheits- und Krankenpflegerin Laura Blind, die auf einer Intensivstation im UKM eingesetzt ist. Sie spricht von einer „Mogelpackung“, die von den Arbeitgebern vorgelegt wurde, die Pläne seien ein Spaltungsversuch. Vor allem nicht refinanzierte Bereiche, wie die Zentralen Notaufnahmen, Psychiatrien oder Endoskopien würden nicht berücksichtigt. Nicht pflegerische Bereiche, wie Transportdienste, Servicekräfte oder dergleichen würden komplett ausser Acht gelassen. „Krankenhaus ist Teamarbeit, das haben wir immer wieder kommuniziert.“

Der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke macht die Problematik an einem konkreten Beispiel fest: „Eine chronisch unterbesetzte Schicht im Transportdienst, die nicht mehr in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit eine Sauerstoffflasche in die Notaufnahme zu bringen, braucht ausreichend Personal, um das Überleben des Patienten zu sichern. Das Angebot der Arbeitgeber würde diesen Personalaufbau durch den Tarifvertrag Entlastung nicht sichern.“

Die Arbeitnehmer fordern daher die Einführung eines Punktesystem, wie es an der Charité in Berlin umgesetzt wird, für alle Beschäftigungsgruppen. Hier erhalten Mitarbeitende beim Unterschreiten der Besetzungsregelungen, hohem Leasingeinsatz oder nach Gewaltsituationen sogenannte Belastungspunkte. Diese können dann für Freizeitausgleich, Erholungsbeihilfen, Kinderbetreuungszuschüsse, Altersteilzeitkonten und Sabbaticals genutzt werden.

Seit Streikbeginn Anfang Mai kommt es auch im UKM zu erheblichen Einschränkungen in den Ambulanzen, bei Operationen und bei stationären Aufnahmen. Zur Aufrechterhaltung der Notfallversorgung wurde bereits zu Beginn des Streiks mit der Gewerkschaft ver.di eine Notdienstvereinbarung ausgehandelt.

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