Versäumnisse der Behörden? Missbrauch in Münster / Mutter des Hauptverdächtigen arbeitete als Erzieherin / Experten entschlüsseln Daten

Die Ermittler befassen sich mit den Fällen des schweren Kindesmissbrauchs in Münster. (Foto: Thomas Hölscher)
Die Ermittler befassen sich mit den Fällen des schweren Kindesmissbrauchs in Münster. (Foto: Thomas Hölscher)

Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstag die Fälle des schweren Kindesmissbrauchs in Münster öffentlich gemacht hatten, wurden jetzt weitere Details bekannt. So ist die festgenommene Mutter des hauptbeschuldigten Münsteraners als Erzieherin tätig gewesen, außerdem hatte das Jugendamt Kontakt zur Familie. Die Ermittler arbeiten unterdessen weiter mit Hochdruck an der Entschlüsselung beschlagnahmter Datenträger, die den Missbrauch dokumentieren.

Wie der WDR und andere Medien berichten, hat die 45-jährige Mutter des Beschuldigten aus Münster bis zu ihrer Festnahme in einer Kindertagesstätte gearbeitet. „Die Leitung der Kita wurde von uns informiert“, sagte Martin Botzenhardt von der Staatsanwaltschaft Münster der Deutschen Presse-Agentur heute. Aktuell gebe es aber keine Hinweise auf Taten der Erzieherin in ihrem Arbeitsumfeld. Sie gilt ebenfalls als Beschuldigte, denn ihre Gartenlaube in Kinderhaus soll der hauptsächliche Tatort gewesen sein. Nach bisherigen Ermittlungsergebnissen hat die Frau ihrem Sohn den Schlüssel zur Verfügung gestellt – „mit dem Wissen, was dort passieren wird“, so Botzenhardt. Unzählige Male fanden in der Gartenhütte verschiedenste Missbrauchshandlungen an Kindern statt, unter anderem am 10-jährigen Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners.

Die Polizei stellte unter anderem in einer Zwischendecke in der Gartenhütte Datenträger sicher, auf denen der Missbrauch dokumentiert ist. (Foto: Polizei Münster)
Die Polizei stellte unter anderem in einer Zwischendecke in der Gartenhütte Datenträger sicher, auf denen der Missbrauch dokumentiert ist. (Foto: Polizei Münster)

Nach ersten Erkenntnissen war die Familie aus Münster den städtischen Behörden nicht unbekannt. Sie hatten 2015 bis 2016 schon mal mit ihr zu tun, weil der heutige Hauptverdächtige damals wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war. Das Jugendschöffengericht Münster verurteilte ihn wegen des Besitzes und des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften im Januar 2016 und Juni 2017 zu Bewährungsstrafen unter der Auflage einer Therapie wegen pädophiler Neigungen. In dieser Zeit hatte das städtische Jugendamt Kontakt zu der Familie. Das Familiengericht, dass sich 2015 mit dem Fall befasst hatte, sah  keinen Anlass, das Kind aus der Familie zu nehmen. Noch ist unklar, ob hier Versäumnisse der Behörden vorliegen. „Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist“, unterstrich Oberbürgermeister Markus Lewe. „Selbstverständlich unterstützen wir die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.“

Bislang konnte nur ein Teil des sichergestellten Beweismaterials ausgewertet werden. In einem komplett eingerichteten und klimatisierten Serverraum, der offenbar dem Beschuldigten, der als IT-Experte arbeitet, zuzuordnen ist, fanden die Fahnder an die 500 Terabyte Daten mit kinderpornografischem Inhalt, die hochprofessionell passwortgeschützt und verschlüsselt sind. Spezialisten des Landeskriminalamtes arbeiten mit Hochdruck daran, die gigantischen Datenmassen zu entschlüsseln. Bislang sind Bilder und Videos die
einzigen Beweismittel des Missbrauchs, da die Beschuldigten sich – mit einer Ausnahme – bislang nicht zur Sache äußern. Die Polizei geht davon aus, erst einen Teil des Pädophilennetzwerks aufgedeckt zu haben. „Ich glaube, dass wir bei diesen Daten auch weitere Strukturen finden werden“, betonte Kriminalhauptkommissar Joachim Poll, der die Ermittlungen im Polizeipräsidium Münster leitet. Die Opfer, drei Jungen im Alter von 5, 10 und 12 Jahren, befinden sich in der Obhut der zuständigen Jugendämter und werden rechtsmedizinisch untersucht. Laut Poll gibt es Hinweise darauf, dass die Kinder vor den Missbrauchshandlungen sediert worden sind.

Hinweis:

Du hast in deiner Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch erlebt? Du bist aktuell davon betroffen oder kennst jemanden, der Hilfe benötigt? Dann findest du Informationen über Beratungsangebote und weitere Hilfen unter https://www.hilfeportal-missbrauch.de und beim "Hilfetelefon Sexueller Missbrauch" unter 0800-22 55 530 (kostenfrei und anonym)

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