Zeltartige Wollpullover, unförmige Hosen und Sandalen bei jedem Wetter, wer sich noch vor zehn Jahren umweltbewusst und sozialverantwortlich kleiden wollte, hatte keine große Auswahl und musste leidensfähig sein. „Das ist heute definitiv vorbei, in unser Geschäft kommen immer wieder auch Kunden, die einfach nur die Mode schön finden und sich für Fair Trade oder Ökostandards eigentlich gar nicht interessieren“, berichtet Lars Wittenbrink, Mitinhaber von „gruene wiese“.
Gemeinsam mit Simone Pleus hat er 2008 das Geschäft am Spiekerhof gegründet und zu einem der landesweit größten Geschäfte für fair und ökologisch produzierte Kleidung ausgebaut. Fair produziert bedeutet, dass der Hersteller mindestens die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhalten muss, womit unter anderem maximale Arbeitszeiten festgelegt sind und Kinderarbeit ausgeschlossen wird.
Der Umweltaspekt kommt bei den verwendeten Materialien zum Tragen, Bio-Baumwolle und Fasern aus Recyclingmaterial, zum Beispiel aus ehemaligen PET-Flaschen. Gerade Baumwolle ist ein echtes Problemmaterial: „Ein Viertel der weltweit verwendeten Pestizide wird ausschließlich im Baumwollanbau verwendet“, erklärt Wittenbrink und sagt weiter, dass jährlich etwa 10.000 bis 15.000 Menschen an den Folgen dieses unkontrollierten Chemieeinsatzes sterben. Dass coole, umweltverträgliche Kleidung nur etwas für Besserverdiener ist, sieht der 37-Jährige verständlicherweise anders: „Warum müssen denn heutzutage die Kleiderschränke fast platzen, das war früher auch nicht so. Lieber ein oder zwei schöne, fair produzierte Teile als zehn billige, die nach einem halben Jahr schon wieder aus der Mode sind. Wir achten darauf, dass unsere Ware nicht jeder kurzlebigen Modeerscheinung folgt, sondern auch nach fünf Jahren noch gut zu tragen ist“, berichtet Lars Wittenbrink. „Slow Fashion“ und „weniger, dafür besser“ sind für ihn die Wege, um dem Dilemma des Raubbaus an Mensch und Natur zu begegnen und trotzdem nicht den letzten Cent für Kleidung ausgeben zu müssen.
Inzwischen gibt es praktisch jedes Kleidungsstück von der Unterwäsche bis zum Mantel als Öko-Produkt, selbst Schuhe oder Nylon-Strumpfhosen finden sich im Sortiment. Am meisten ärgert den Jungunternehmer, dass auch viele der teuren Modemarken unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren lassen: „Diese Firmen verkaufen ihre Sachen zum Teil teurer als viele Öko-Anbieter und könnten ihre Ware eigentlich fair produzieren, aber das würde natürlich die Gewinnspanne verringern“. Wittenbrink sieht die Verantwortung des Kunden auch eher bei den Käufern dieser Marken als bei den Menschen, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. „Das Image von Fair Trade hat sich grundlegend zum Positiven gewandelt und spricht inzwischen sehr viele unterschiedliche Menschen an. Manche Marken finden sich sogar schon in ‚klassischen’ Modegeschäften zwischen den anderen, konventionell produzierten Waren“, berichtet Lars Wittenbrink, während er Pullover sortiert und Hosen einräumt.
Für die Zukunft vermutet der studierte Politikwissenschaftler die Entstehung von Eigengeschäften der größten Öko-Label und eine stärkere Verbreitung dieser Marken im konventionellen Handel. Außerdem sieht er ganz klar die Politiker der EU in der Pflicht: „In die europäischen Staaten dürften nur Produkte eingeführt werden, die nachweislich die Mindestanforderungen der ILO an den Arbeiterschutz erfüllen und zumindest auf den Einsatz der schlimmsten Pestizide verzichten“. Die Preise der Kleidungsstücke würde dies nur wenig beeinflussen aber in den Produktionsländern viel Leid verhindern.
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Ich bin schon einige male in dem Laden gewesen.
Es hat mich sehr angesprochen etwas nachhaltiges zu erwerben, um meinen Ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu gestalten.
Jedoch stellte ich fest, dass so gut wie jedes Kleidungsstück „Made in Bangladesch“ ist. Ich muss zugeben, seit dem sind einige Jahre vergangen. Vielleicht hat sich in der Hinsicht ja etwas geändert.
Aber öklogisch finde ich es trotzdem nicht, in einem fernen Land die Sachen produzieren zu lassen. Wo andere „Billiganbieter“ die Wäscherei,Färberei uvm. nebenan gemietet haben.
Nutzen die „grünen“ Firmen auch andere Produktionverfahren, welche bei denen die Abwässer nicht in den benachbarten Bach geleitet werden?
Da liegt die Vermutung auch nah, dass diese sogenannte Ilo Arbeitsorganisation. Eine ähnliche Instution ist, wie große Firmen sie engagieren um „grün“ darzustehen.
Außerdem erfüllen diese nur die Mindestanforderung. Nach welchen Normen werden diese Mindestanforderungen gemessen?
Die des Produktionslandes? Oder einem „arbeitssicheren“ Land wie Deutschland?
Ich unterstütze solch ein Denken gerne, stelle mir aber die Frage, ob man nicht auch in solch einem Geschäft die Gewinnspanne hochhalten will?
Hallo Lennart,
vielen Dank für dein Interesse. Ich antworte dir hier mal selbst und versuche auf alle Fragen einzugehen.
Zunächst ist der Anteil von Produkten aus Bangladesh bei uns schon immer recht gering. Da hast du wohl einfach zufällig viele erwischt, bzw. vielleicht vor allem eine Kategorie (einfache Basic-Shirts?) angeschaut. Wir haben nur zwei Hersteller, die dort produzieren. Beide machen das ganz gezielt, um dort, wo die Arbeitsbedingungen in der Regel besonders mies sind, eine bessere Alternative aufzubauen. PeopleTree ist das FairTrade Fashion-Pionier-Unternehmen überhaupt. Diese britische Marke ermöglicht Frauen häufig auch zuhause bei ihren Kindern zu arbeiten und in kleineren Nähworkshops statt in großen Fabriken:
http://www.peopletree.de/produzenten-uebersicht
Stanley/Stella stellen Basics her. Sie machen bei uns einen Großteil der unbedruckten einfachen T-Shirts aus, in anderen Produktbereichen bieten sie kaum etwas an und wir haben sonst nur ein paar Sweatshirts von ihnen. Stanley/Stella sind Mitglied der Multistakeholder-Initiative Fair Wear Foundation (FWF), die auch von allen Menschenrechtsorganisationen, die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, empfohlen wird. Innerhalb der FWF gehört Stanley/Stella seit Jahren zu den „Leadern“. Die Preise sind recht niedrig (11 bis 13 € für ein T-Shirt), aber die Kollektionen sind dafür viel einfacher als bei Fashion-Labels, die Schnitte bleiben über Jahre, werden Saisonunabhängig in sehr großen Mengen und vorrangig für Druckereien produziert, wo sie zu Band-Shirts, Unternehmenskleidung etc. veredelt (bedruckt) werden. Die Jahresperformance jedes FWF-Mitglieds kann man online abrufen:
https://www.fairwear.org/resource/stanley-stella-performance-check-2016/
Viele unserer Labels produzieren in Portugal, einige auch in Deutschland, mehrere in der Türkei und in Indien. Für uns kommt es nicht auf das „wo“, sondern auf das „wie“ an. Wir finden es wichtig, dass auch in der typischen Textilländern faire Produktion stattfindet, denn „keinen Job haben“ ist für die Näherinnen (es sind fast immer Frauen) noch schlechter als ein mieser Job. Einfach nur die Produktion wieder nach Europa holen, wäre also eher keine gute Lösung.
In der Ökobilanz von Textilien spielt Transport auch kaum eine Rolle (<10%). Und es wäre auch aus Welthandelssicht unschön, wenn wir die Türkei und Indien nur als Rohstofflieferanten benutzen (da wächst die Bio-Baumwolle) und die höhere Wertschöpfung der Weiterverarbeitung komplett für uns beanspruchen. Trotzdem finden wir auch Produktion in Europa ok. Kleine Labels tun sich schwer in China oder Bangladesh einen Prodzenten (egal ob fair oder nicht) zu finden, denn die sind dort in der Regel auf viele größere Produktionsmengen ausgelegt.
Wichtig für die Ökobilanz ist hingegen die Faser. Wie schlimm der Baumwollanbau ist, wenn es nicht bio ist, steht ja oben im Text. Bei uns sind alle Fasern "bio" oder recycelt. Und wichtig ist auch die Färbung und Ausrüstung. Fast alle unsere Produkte aus Naturfasern sind GOTS-zertifiziert. Das ist der strengste internationale Standard für Färbungen und andere chemischen Behandlungen. Da geht es nicht nur um Filterung. Viele sonst übliche Chemikalien sind schlicht verboten.
Zur ILO. Das ist der Weltdachverband der Gewerkschaften. Der zertifiziert nicht, sondern setzt sich weltweit für Menschen- und Arbeitsrechte ein. Die ILO hat sogenannte Kernarbeitsnormen aufgestellt, zu deren Einhaltung sich viele Länder verpflichtet haben (z.b. auch ganz Europa), wobei diese Einhaltung von einigen Ländern leider nicht konsequent durchgesetzt wird. Die Standards der Fair Wear Foundation beziehen sich auf die ILO Normen, aber ergänzen sie um die Forderung nach einem existenzsichernden Lohn. In viele Produktionsländern des globalen Südens werden die ILO Normen nicht staatlich durchgesetzt und somit ist es für Arbeitnehmerinnen ein großer Fortschritt, wenn sie in einer Fabrik arbeiten können, die diese dennoch einhält. Das kann z.b. bedeuten statt ständig 100h/Woche "nur" 45h/Woche plus in Ausnahmefällen max. 15 Überstunden zu arbeiten und immer einen oder "sogar" 2 Tage die Woche frei zu haben, statt sonst nur einige wenige Tage im ganzen Jahr. Das ist sicherlich kein Paradis, aber eben deutlich besser, als in vielen anderen Produktionsstätten.
Wenn weitere Fragen auftauchen, stellt sie gern. Ich bemühe sie zu beantworten.