Kunden werden zu Umweltschützern Mit einer Verkaufsaktion finanzieren Kunden des SuperBioMarktes ein großes Forschungsprojekt zu Ackergiften

Michael Radau, Chef der Kette "Super Biomarkt", mit den Produkten, über deren Verkauf die Studie finanziert werden soll. (Foto: Michael Bührke)
Michael Radau, Chef der Kette „SuperBioMarkt“, mit den Produkten, über deren Verkauf die Studie finanziert werden soll. (Foto: Michael Bührke)

Die Nachricht vom rapiden Sterben der Insekten verbreitete sich vor einigen Jahren wie ein Lauffeuer und sorgte nicht nur bei Fachleuten für Entsetzen. Schließlich sorgen die kleinen Flug- und Krabbeltierchen für die Bestäubung vieler Pflanzenarten und sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für etliche Tiere. Es gibt mehrere Vermutungen bezüglich der Ursachen aber eines scheint klar zu sein, der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft trägt wohl den Bärenanteil.

Spätestens an diesem Punkt wurde vielen Verbrauchern bewusst, was sie noch so alles zu sich nehmen, wenn sie in ein Brötchen beißen. Wer das vermeiden möchte, greift zum Bioprodukt, wo keine Pestizide eingesetzt werden dürfen, können ja schließlich auch keine Pestizide drin sein. Michael Radau, Chef der Kette „SuperBioMarkt“ mit Sitz in Münster, hat hier Zweifel: „Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Pestizide überall sind“. So konnte im Urin von über 2000 Personen Glyphosat zum Teil in großen Mengen nachgewiesen werden, unabhängig davon, ob sie sich von Bioprodukten oder konventionell ernähren (Studie „Urinale“). Auch in der Rinde von Bäumen wurden zahlreiche Umweltgifte nachgewiesen, egal, ob diese an einem Acker oder in einen Naturschutzgebiet stehen („Baumrindenstudie“). „Wir vermuten, dass die Ackergifte über den Wind oder auf anderen Wegen verbreitet werden, auch auf die Äcker der biologischen Landwirtschaft“, berichtet Radau. Der Traum von einem friedlichen Nebeneinander von biologischer und konventioneller Landwirtschaft wäre damit ausgeträumt.

Auf dem Schild kann der Kunde nachlesen, wie hoch bei jedem Produkt der Anteil ist, der in die Studie investiert wird. (Foto: Michael Bührke)
Auf dem Schild kann der Kunde nachlesen, wie hoch bei jedem Produkt der Anteil ist, der in die Studie investiert wird. (Foto: Michael Bührke)

Eine neue, wesentlich größere Studie, soll nun belastbare Zahlen und damit Gewissheit bringen. An 250 Messstellen werden bundesweit spezielle Sammelfilter installiert, die im Jahresverlauf Ackergifte aus der Luft sammeln. Die Proben werden dann von dem renommierten Verbund TIEM (Team Integrated Environmental Monitoring) in Bremen untersucht. Das Problem: Solche Studien sind teuer, „Wir rechnen mit etwa 250.000 Euro“, schätzt Radau. Gemeinsam mit seinen Kollegen Stephan Paulke, Chef von „Basic“ und Georg Kaiser, dem Leiter der „Bio Company“, zweier großer deutscher Biomarktketten, entstand die Idee, über den Verkauf bestimmter Produkte die Studie zu finanzieren. „Üblicherweise läuft es so, dass wir für Aktionen größere Mengen einzelner Produkte einkaufen, dadurch könen wir günstigere Preise aushandeln, die wir dann als Aktionspreise an die Kunden weitergeben“, erklärt Michael Radau. „Jetzt ist es so, dass wir die Produkte zum Normalpreis verkaufen und den höheren Gewinn in das Projekt investieren“. Wie hoch dieser Beitrag jeweils ist, kann der Kunde auf einem Schild nachlesen. Deutschlandweit beteiligen sich sechs große Biomarkt-Ketten an der Aktion. Radau ist davon überzeugt, dass diese Form der Finanzierung unabhängiger Studien durch den Bürger Schule machen kann: „Wenn ich als Kunde an einer solchen Aktion beteiligt bin, muss ich mich mit dem Thema auseinandersetzen, will mehr wissen, engagiere mich. Das ist Produktkauf mit doppeltem Sinn, eine Win-Win-Win-Situation“.

Radau wünscht sich, dass das Logo "Ackergifte? Nein Danke!" genau so Verbreitung findet, wie das bekannte "Atomkraft? Nein Danke!". (Foto: Michael Bührke)
Radau wünscht sich, dass das Logo „Ackergifte? Nein Danke!“ genau so Verbreitung findet, wie das bekannte „Atomkraft? Nein Danke!“. (Foto: Michael Bührke)

Dass die Kunden der Bio-Geschäfte dadurch eine Studie finanzieren, die möglicherweise nachweist, dass Bioprodukte durch die Pestizide anderer landwirtschaftlicher Flächen belastet sind, ist den Bio-Händlern bewusst: „Wir haben durchaus kontrovers diskutiert, wie weit wir die Ergebnisse publik machen sollten!“, erinnert sich Radau an das Zusammentreffen mit seinen Kollegen. Der Wunsch nach Transparenz und Klarheit stand aber letzten Endes im Vordergrund, berichtet der Hiltruper.

Die Ergebnisse könnten gravierende Folgen haben. Pestizide werden nur zugelassen, wenn sie an dem Ort verbleiben, an dem sie eingesetzt werden. „Sollten wir nachweisen, dass die Ackergifte zum Beispiel mit dem Wind weggetragen und verbreitet werden, müsste die Zulassung der Pestizide überprüft und gegebenenfalls zurückgezogen werden“, mit vermutlich weitreichenden Konsequenzen für die konventionelle Landwirtschaft. „Die Resonanz der Kunden ist super!“, freut sich Radau. Viele Menschen fragen nach der Aktion, wollen Hintergrundinformationen. „Es geht um eine enkeltaugliche Landwirtschaft, das ist uns wichtig“, unterstreicht der Biopionier.

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