Klaus Doldinger ist erkältet, wie an der nasalen Stimme erkennbar ist. Aber er spielt mit so viel Power, da möchte man nicht glauben, dass er gerade erst 80 Jahre alt geworden ist. Und so schlimm, wie bei der „Jubilee“-Tournee von 1975 ist es nun auch wieder nicht, wie er beteuert. Damals musste er mit Fieber und Schüttelfrost backstage bleiben, während seine Band mit den internationalen Stars Les McCann und Pete York ohne ihn und sein Saxophon auftrat. Solche Geschichten und Erinnerungen streut er nun beim Konzert in der Jovel Music Hall am Mittwoch immer wieder zwischen den Titeln ein. Und das Publikum hört ihm dabei gerne zu.
Nicht wenige werden ihn und seine Band Passport schon in den 70er Jahren live erlebt haben. Da gehörten Schlagzeuger Curt Cress und Bassist Wolfgang Schmid zur festen Besetzung der Band, und aus dieser Zeit stammt das gesamte Repertoire dieses Abends. Titel wie „Schirokko“, „Hand Made“ oder „Jadoo“ kennt wohl jeder Fan der geradezu klassischen Periode von Passport. Doldinger selbst nimmt sich zurück und lässt der Band genug Spielraum für eigene Soli. Genau so, wie er es schon auf den legendären Live-Alben von 1974 und 1975 getan hat. Diese Tournee trägt also zu recht den Titel „Passport Classic“.
Wobei gar nicht die gesamte aktuelle Tournee unter diesem Motto steht. Denn Klaus Doldinger hat seine Band seit 1971 zwar immer Passport genannt, aber Besetzung und Sound änderten sich über die Jahre mehrfach. Auf dem brandneuen Album „Doldinger“ ist er daher nicht nur mit zahlreichen Gastmusikern ganz unterschiedlicher Stilrichtungen zu hören, wie Max Mutzke, Nils Landgren oder Helge Schneider, sondern mal mit seiner aktuellen Band und mal mit „Passport Classic“. Und auch die Tournee zu seinem Geburtstags-Album absolviert er abwechselnd mit den beiden Besetzungen, in Münster also mit dem klassischen Quartett der Jazz-Rock-Jahre. Neben Curt Cress und Wolfgang Schmid gehört als jüngstes Mitglied der großartige Roberto Di Gioia dazu, der in einer späteren Phase ab 1991 immerhin 18 Jahre fest zu Passport gehörte. Er ersetzt den leider schon 2011 verstorbenen Kristian Schultze, der 1973 bis ’77 Organist und Keyboarder der Band war. Gerne würde Doldinger auch einmal mit seiner dritten Besetzung, dem symphonischen Projekt, in Münster auftreten, so wie kürzlich in Düsseldorf und nächste Woche in Trier, wie er sagt.
Über alle Jahre gleich geblieben und auch in den verschiedenen Bestzungen zu hören ist Doldingers unverwechselbarer, klarer Ton. Er prägt bei dem Konzert in der Jovel Music Hall jedes Lied, sogar bei den Soli, obwohl er immer wieder zwischen dem Sopran- und Tenorsaxophon wechselt. Nur bei einem Lied gestattet er sich einen Abstecher in den gemäßigten Free-Jazz – und damit auch einen raueren Sound: „Abracadabra“. „Ewig nicht gespielt“ hatte er dieses Lied mit der komplexen Rhythmik, bevor er es für das neue Album neu aufnahm. Und man merkt ihm und der Band an, dass sie richtig Spaß daran haben, es zu spielen. So ein poly-rhythmisches Stück „kann man machen, man muss es vor allem gemeinsam machen“, sagt Doldinger. Das ist ihnen hervorragend gelungen und das Publikum dankt es mit dem stärksten Applaus des Abends für ein einzelnes Stück, sogar noch stärker als für die herrlich verjazzte Version seiner wohl berühmtesten Komposition, der „Tatort“-Melodie.
Bei der saß damals Udo Lindenberg am Schlagzeug, wie wahrscheinlich alle im Saal wissen. Schließlich gehörte er zur allerersten Besetzung von Passport. Klaus Doldinger war nun auch als Gastmusiker bei Udos Tournee-Auftakt in Gelsenkirchen dabei und hat dabei festgestellt, wie „gut diese Band groovt“. Und er gratuliert Steffi Stephan zu dem, was er hier in Münster aufgebaut hat, eben dem „Jovel“. Doldinger beendet den Abend nach gut zwei Stunden mit den Worten, dass er „stundenlang weiter erzählen könnte – oder auch spielen“. Und das klingt sogar glaubwürdig, denn das Alter von 80 Jahren merkt man ihm dabei überhaupt nicht an.
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