„Es ist super, dass Bukow nicht mehr da ist“ Der Schauspieler Charly Hübner präsentierte im Schloßtheater mit "Sophia, der Tod und ich" seine erste Regiearbeit

Charly Hübner beim Interview im Schloßtheater. (Foto: Thomas Hölscher)
Charly Hübner beim Interview im Schloßtheater. (Foto: Thomas Hölscher)

Zwölf Jahre spielte der Schauspieler Charly Hübner die Rolle des undurchsichtigen Polizisten Sascha Bukow im Polizeiruf 110 aus Rostock an der Seite von Anneke Kim Sarnau. Im letzten Jahr war damit Schluss und Hübner wechselte als Regisseur hinter die Kamera. Jetzt ist mit „Sophia, der Tod und ich“ nach einer Romanvorlage von Thees Uhlmann sein erster Spielfilm erschienen. Wir sprachen mit dem Schauspieler und Regisseur.

ALLES MÜNSTER: Regie Charly Hübner, Buch Thees Uhlmann. Das sind zwei Namen, die man normalerweise mit jeweils einem anderen Genre verbindet, den einen mit Schauspielerei, den anderen mit Musik. Es war also für Euch beide so eine Art Seitenwechsel, hat Euch das irgendwie verbunden?

Charly Hübner: Also das ging vor sieben Jahren los. Da ist ja erstmal so ein Buch und ein Verlag und dann gibt es eine Filmfirma und dann muss man den Autor fragen, ob der überhaupt Bock hat. Daraufhin gab es ein Treffen mit Thees und natürlich Detlev Buck als Co-Produzenten. Das war für Thees so ein bisschen der Schlüssel, dass er gesagt hat, er kennt den einen, er kennt den anderen, findet beide gut, er lässt das mal so geschehen. Ich war von vorneherein darauf erpicht, mit Thees zusammenzuarbeiten. Ich finde es immer wichtig, dass die zumindest am Anfang sozusagen zugucken, was mit ihren Babys geschieht, damit am Ende nicht so Geschichten passieren, wie wir es jetzt beim Rehragout lesen oder wie es offenbar beim Schwarm passiert ist, wo die Autoren sich dann von dem Werk distanzieren. Das fand ich in diesem Fall total Quatsch, weil es ja eigentlich eine Komödie ist, warum soll man sich da verkrachen. Er war dann bei den ersten Drehs dabei und hat gemerkt, dass es bei uns ans Feilen geht. Thees merkte, dass das eine Arbeit ist, bei der er nicht dabei sein muss und sagte diesen schönen Satz, „Dein Film, mein Buch“. Darauf haben wir uns immer zweimal im Jahr darüber verständigt, was Stand der Dinge ist, es hat auch gedauert mit dem Geld. Aber Thees und ich sind richtige Freunde.

ALLES MÜNSTER: War das schon vorher so, das mit der Freundschaft?

Dimitrij Schaad, Marc Hosemann und Anna Maria Mühe (v.l.) warten auf den Zug. (Foto: Stephan Rabold)
Dimitrij Schaad, Marc Hosemann und Anna Maria Mühe (v.l.) warten auf den Zug. (Foto: Stephan Rabold)

Charly Hübner: Ne, ne. Es gibt eine lustige Anekdote, die erzähle ich gerne. Ich war Ende der 90er Anfang der Nuller Jahre in Frankfurt am Theater und hörte sehr viel Musik, unter anderem auch Tomte. Deren Musikmanager Daniel Lieberberg wohnte damals so wie ich in Frankfurt, wir kannten uns durchs Theater. Wir waren bei ihm zu Besuch und irgendwann sagte er, du musst dich mal mit Thees Uhlmann treffen, ihr beide habt euch was zu sagen. Das war Ende der 90er und hat 20 Jahre gedauert.
Seitenwechsel klingt immer so ordentlich. Das sind so Entscheidungen im Leben, dass man merkt, ok, jetzt ist es vielleicht auch mal interessant, sich mit dem Sortieren eines Sets außerhalb der eigenen Spielerei zu befassen. Ich fand, dass der Stoff dafür einfach eine super Einladung war, weil er unorthodox ist. Es gibt natürlich den Tod nicht als Anzugträger in unserer Gesellschaft, schon gar nicht in zweifacher Ausführung.

Es wird innerhalb der ersten nicht mal 20 Seiten wahnsinnig viel Halli Galli gemacht und gelabert. Am Ende wird aber sehr ernsthaft darüber geschrieben, wie sich seine Nahtoderfahrung anfühlt und damit war eigentlich der Tonfall des Films auch klar. Du musst Quatsch machen, Unsinn, also regelrecht Unfug, du darfst dich überhaupt nicht an irgendwas orientieren, was irgendwie klassisch und gut ist. Gleichzeitig darfst du aber den Ernst des Themas, also vor allem die Melancholie, die da drinsteckt, diese Ratlosigkeit, wie gehen wir mit dem Tod um, nicht aus den Augen verlieren. Der Rest ist dann, dass man mit dem Machete in den Urwald geht und sich den Weg sucht.

ALLES MÜNSTER: Ihr seid ja ungefähr ein Alter.

Charly Hübner: Ja, ich bin der Ältere.

ALLES MÜNSTER: Genau, Du wurdest 1972 geboren und Thees Uhlmann 1974. War es hilfreich, dass ihr etwa gleich alt seid? Ist das überhaupt schon ein Alter, in dem man sich mit dem Tod auseinandersetzt?

Der Regisseur berichtet über seine Zusammenarbeit mit Thees Uhlmann. (Foto: Thomas Hölscher)
Der Regisseur berichtet über seine Zusammenarbeit mit Thees Uhlmann. (Foto: Thomas Hölscher)

Charly Hübner: Ich finde, das kann man immer, auch mit 16. Er ist ja einfach da, der Fakt ist da, das Thema ist da und betrifft Onkels, Tanten, Lehrer, Eltern, Geschwister. Also es ist Quatsch so zu tun, als gäbe es den Tod nicht und dann ist man immer eine Woche vorher total überrascht und sagt, oh krass, das ist ja scheiße! Das ist das Problem in dieser Leistungsgesellschaft, dass du sagst, ich kümmere mich nur um Selbstverwirklichung und lässt den einzigen Fakt, der definitiv von vornherein feststeht, außen vor. Man kann ja trotzdem das Leben total abfeiern. Ich kenne jemanden, der sehr schwer krank ist. Der macht das einfach, der zieht das jetzt durch und lebt das Leben, also kein Rock’n’Roll, sondern genießt das, was er noch kann und er weiß, was ihn erwartet und ist dadurch aber vergnügt. Das Alter hat überhaupt keine Rolle gespielt. Ich glaube, wenn Thees 34 oder 84 wäre, hätte ich ihn genauso ernst genommen, das ist wurscht.

ALLES MÜNSTER: Hast Du das Buch vorher gelesen?

Charly Hübner: Ich habe nach Seite 14 entschieden, dass ich es mache, einfach genau aus dem genannten Grund. Da geht es um Comedy und um Absurdität, das geht so auch nur im Kino oder im Theater, das ist im Fernsehen schwer zu verkaufen. Gerade das Fernsehen, wie wir es in Deutschland kennen, ist doch eher die klare Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und da ist so eine Figur, wie Morten de Sarg [Anm.: Die Figur des Todes im Film] dann schon was anderes und ganz viele Zuschauer würden abends nach der Tagesschau wohl sagen, warum soll ich mir das jetzt angucken.

ALLES MÜNSTER: Der Film hat mit Dimitrij Schaad, Marc Hosemann, Anna Maria Mühe und Johanna Gastdorf eine großartige Besetzung. Hattest du da Einfluss drauf?

Charly Hübner: Ich bin immer der, der das Gespräch liebt, auch die Auseinandersetzung über lange Zeit, ich habe überhaupt keine Eile. Beim Casting gibt es viele Interessen, das ist ein industrieller Vorgang, aber auch ein künstlerischer und auch ein Kalendervorgang, also es können nicht immer alle. Gerade wenn die Finanzierung ewig unklar ist. Marc Hosemannhat das Projekt am Ende fünf Jahre begleitet, glaube ich. Er war als erster besetzt und war fünf Jahre lang immer zur Stelle. Wir haben immer wieder um ein halbes Jahr verschoben. Erst Marc, dann kam Anna Maria, dann Dimitrij, dann Johanna. Für mich war wichtig, es müssen Spielerinnen und Spieler sein, die Komödie kennen, die glaubwürdig sind, die Comedy können, die aber auch Melodramen können, das können nicht alle.

ALLES MÜNSTER: Es ist ja auch ein bisschen schrill, den Tod im Anzug zu spielen, das liegt vielleicht nicht jedem.

Johanna Gastdorf (l.) spielt die Rolle der Mutter. (Foto: Mike Krüger)
Johanna Gastdorf (l.) spielt die Rolle der Mutter. (Foto: Mike Krüger)

Charly Hübner: Das meine ich. Du brauchst Spieler, die da einen Zugang haben. Marc Hosemann hat viele Jahre bei Frank Castorf Theater gespielt und ist natürlich mit den Spieltechniken vertraut. Es sieht für den Laien immer so aus, als ob das nur glaubwürdig ist oder nicht, aber das ist richtiges Handwerk. So wie ein Zimmermann oder ein Stellmacher weiß, was er zu tun hat, wissen das auch Spieler und Marc beherrscht eben alle Paletten, die es gibt, Anna Maria Mühe kann das auch, Dimitrij Schaad auch. Der ist dann auch noch Autor, das ist natürlich bei so einer komplexen und vertrackten Hauptfigur total schwer, weil sie undankbar ist. Sie gibt nicht alles von sich preis, sie ist Protagonist und Antagonist in einer Person. Beide reden nicht, sondern schütten sich zu und was kommt ist Abwehr, also Zynismus. Der ist kein Held, der freiwillig auf irgendeine Reise geht, sondern dem musst du wirklich den Tod bringen, damit er überhaupt erst mal irgendwann anfängt zuzuhören.

ALLES MÜNSTER: Wie war es das erste Mal hinter der Kamera als Regisseur?

Charly Hübner: Diese zwei Monate Drehvorbereitung, das war neu, diese ganze Logistik, das alles aufzustellen. Die Drehtage sind viel länger als für die Schauspieler. Selbst wenn du eine riesen Rolle spielst im Film, ist irgendwann Drehschluss, Abschminken und fertig. Dann geht die eigentliche Arbeit für die Regie aber erst los: Was machen wir morgen, in welche Reihenfolge, was drehen wir zuerst, wie ist das Wetter… Wir hatten zwei Mal richtig schlimmes Wetter, es gab Neuschnee und wir konnten einfach nicht drehen. Ich wollte aber auf gar keinen Fall stehen bleiben, also haben wir irgendwas gedreht, was an dem Tag ging und das ist jetzt der ganze Filmschluss. Wir haben einfach gesagt, lass uns die Kameras anschmeißen, wir fahren hoch auf den Berg, runter vom Berg. Es war Schnee, es war Nebel, es war weiß und daraus ist der ganze Schluss entstanden, also das ist echt Drehglück gewesen.

ALLES MÜNSTER: „Sophia, der Tod und ich“ Ist ja ein Road Movie. Magst Du Road Movies?

Charly Hübner: Ich habe da gar keine speziellen Vorlieben. Wenn die Geschichte das gut kann, habe ich nichts gegen Road Movies. Aber ich finde auch Filme toll, die nur in einem Zimmer spielen. Der muss halt gut sein.

ALLES MÜNSTER: 12 Jahre Polizeiruf, im letzten Jahr dann der Ausstieg aus der Reihe. Vermisst Du das?

Vermisst die Rolle des Sascha Bukow nicht: Charly Hübner. (Foto: Thomas Hölscher)
Vermisst die Rolle des Sascha Bukow nicht: Charly Hübner. (Foto: Thomas Hölscher)

Charly Hübner: Nee. Die Entscheidung ist fünf Jahre her, davor gab es zwei, drei Jahre, in denen man das immer innerlich bewegt. Das ist dann schon eine lange Zeit, in der ich mich damit befasst habe. Und dann haben wir das vor fünf Jahren entschieden, genau jetzt in dieser Jahreszeit. Wir haben danach noch zwei Jahre gedreht, also vier Fälle. Ich finde es sogar immer besser, weil wir jetzt über Bukow reden können. Mittlerweile ist es auch super, dass Bukow nicht mehr da ist. Wir haben eine Zeit, da braucht es inhaltlich eher einen anderen Kommissar, finde ich. Ich finde es interessant, was die Lina Beckmann [Anm.: Als Kommissarin Melly Böwe die Nachfolge auf Bukow im Polizeiruf 110] da probiert, dass da jemand kommt und versucht Ordnung zu schaffen, Ruhe reinzubringen. Wir haben gerade so krasse politische Verhältnisse mit so viel Härte und Uneindeutigkeit. Das war in den 10er Jahren anders, weil durch die Merkel-Zeit so eine Aufgeräumtheit schien. Da konntest Du so einen Typen bringen, der scheinbar korrupt ist, der Unruh stiftet, der geheimnisvoll bleibt. Nur jetzt sind die Schlagzeilen jeden Tag voll von Unklarheiten, ich sage nur Aiwanger. Und da finde ich es toll, wenn ein Kommissar oder eine Kommissarin dafür sorgt, dass aufgeklärt wird und Ruhe reinkommt. Wenn man sich so eine Figur ernsthaft vorknöpfen will, so einen Fernsehkommissar, dann haben wir gerade eine Zeit, wo es draußen unruhiger ist und dann sollte es drinnen ruhiger sein, damals war es genau umgekehrt. Und deswegen ist es gut, dass Bukow jetzt angelt, irgendwo in Ostsibirien.

ALLES MÜNSTER: Sophia der Tod und ich, ist nicht dein letzter Film, oder?

Charly Hübner: Also es liegt ja nicht bei mir. Ich bin nicht so wohlhabend, dass ich die Filme mir selber finanziere. Aber das Tun an sich hat großen Spaß gemacht.

Der Film "Sophia, der Tod und ich" läuft aktuell im Kino "Schloßtheater" an der Melchersstraße im Kreuzviertel: Sophia, der Tod & ich - Cineplex Münster

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