Damit Hiroshima nicht vergessen wird Laurenz E. Kirchner arbeitet bis zuletzt für Kunstevent

Qualm steigt auf, dann quillt die flüssige Bronze rotgelb aus dem Ofen. Funken sprühen. Wie ein Lavastrom fließt das Metall in die die Gussformen der Friedensglocke für "Bodennullpunkt Hiroshima", die Laurenz E. Kirchner extra in Gescher gießen ließ. (Foto: privat)
Qualm steigt auf, dann quillt die flüssige Bronze rotgelb aus dem Ofen. Funken sprühen. Wie ein Lavastrom fließt das Metall in die die Gussformen der Friedensglocke für „Bodennullpunkt Hiroshima“, die Laurenz E. Kirchner extra in Gescher gießen ließ. (Foto: privat)

In der von einem urwüchsigen Garten umgebenen Atelierwerkstatt gegenüber dem Kapuzinerkloster ist diese Tage noch lange Licht. Ob einen vergrößerten Nachbau der V1-Rakete, dreidimensionale meterhohe umzeichnete Holztableaus oder graphische Zeichnungen: der Aktionskünstler, Bildhauer umd Maler Laurenz E. Kirchner erstellt dort in Eigenregie alle Objekte des Kunstevents „Bodennullpunkt Hiroshima“. 

Die Kunstaktion findet am Donnerstag (6. August) um 8 Uhr auf dem Domplatz in Münster statt – „um an den ersten Atombombenabwurf vor 75 Jahren auf Hiroshima zu erinnern, vor erneuter atomarer Aufrüstung zu warnen und sichtbare Zeichen für einen nachhaltige Frieden zu setzen“, wie Kirchner im Gespräch mit „Alles Münster“ betont, „auch auf deutschem Boden lagern immer noch Atomraketen“.

Regelmäßig fährt Laurenz E. Kirchner mit seinem Motorroller (sein Motorrad haben sie ihm vor vier Wochen am IJsselmeer gestohlen) nach Gescher. Beim Glockenhersteller Petit & Gebr. Edelbrock lässt er eine ganz besondere Friedensglocke aus massiver Bronze gießen, rund 120 Kilogramm schwer (in früheren Berichten wurde noch das zunächst geplante Gewicht von 250 kg genannt). Kirchner verzierte die Glocke mit einer Friedenstaube, die Federn lässt, einer Friedensengelkerze, die zerfließt, künstlich angedeutete Risse (um zu zeigen, wie sehr kriegerisches Gebahren weltweit die Friedensbemühungen strapaziert) und mit einem Zitat des österrerichischen Schriftstellers Stefan Zweig: „Jeder Schatten ist auch Kind des Lichts.“ Regelmäßig überprüft Kirchner den Klang. „Wichtig ist, dass sie besonders lange nachhallt.“ In einem mobilen Glockenstuhl soll die Glocke am 6. August auf dem Domplatz erklingen, wenn Oberbürgerneister Markus Lewe sie anschlägt.

Vor dem letzten finalen Guss: Die Friedensglocke von Laurenz E. Kirchner zeigt auch eine Friedenstaube, die Federn lässt. Die 120 Kilogramm schwere Glocke wurde in Gescher gegossen. (Foto: privat)
Vor dem finalen Guss: Die Friedensglocke von Kirchner zeigt auch eine Friedenstaube, die Federn lässt. Die 120 Kilogramm schwere Glocke wurde in Gescher gegossen. (Foto: privat)

Über den Domplatz tragen am Donnerstag Ehrenamtliche in Strahlenanzügen einen auf rund acht Meter vergrößerten Nachbau der V1-Rakete, an dem Laurenz E. Kirchner in seiner Werkstatt noch bis Mittwochabend arbeitet, also bis kurz vor dem Kunstevent. Der gleiche „Final Cut“ gilt für die meterhohen Holztableaus, auf denen dreidimensionale Zeichnungen die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges in Hiroshima und in Münster veranschaulichen. „Historische Fotos und Berichte von Zeitzeugen dienten mir als Grundlage“, sagt Kirchner.

„Mir ist es auch wichtig auf die unzähligen zivilen Opfer hinzuweisen, die ganz normal zur Arbeit gingen, zum Shoppen oder auf einem Kaffee um die Ecke.“ Auf einem meterhohen Transparent zeichnet Kirchner deshalb typische Alltagssituationen auf einer der belebten Einkaufsstraßen in Hiroshima nach – wenige Sekunden bevor die Atombombe fiel. Es gibt eine Textperformance von Künstler selbst und einen Wortbeitrag von Oberbürgermeister Markus Lewe als „Major of Peace“, sowie ein Live-Oboe-Spiel von Hannah-Theresa Wappler aus dem Steven-Spielberg-Film „Schindlers Liste“.

Am Ende der Kunstaktion stellt sich Kirchner den Fragen und Reaktionen des Publikums. "Ich freue mich auf viele persönliche Gespräche." Laurenz E. Kirchner stellt dann auch erstmals sein neues Buch "Bodennullpunkt" vor, dass nicht nur die Hintergründe der Kunstaktion dokumentiert (ausführliche Rezension folgt). Der Journalist Peter Sauer hat Kirchner in den vergangenen Wochen begleitet und in dem 88-seitigen Kunstbuch die Texte geschrieben. Kirchner zeigt rund 50 Zeichnungen und Skulpturen, darunter viele, die im Rahmen des Kunstprojektes entstanden sind, aber auch aktuelle politische Karikaturen. In dem Buch geht es darum, wie Kriege und Gewalt unser Leben vom Dreißigjährigen Krieg bis heute prägen. „Bodennullpunkt“ (englisch: „Ground Zero“) meint den Ort, über dem eine nukleare Bombe oder Rakete explodiert. (Uwe Paulsen)

Am 6. August, zwischen 12:30 und 13:30 Uhr wird Laurenz E. Kirchner zusammen mit dem Buchautoren Peter Sauer den exklusiv zu der Veranstaltung veröffentlichen Kunstband „Bodenullpunkt Hiroshima“ mit zahlreichen Abbildungen in der Thaliafiliale Ludgeristraße in der Politikabteilung vorstellen. Der Eintritt ist frei.

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