Aurel Bereuter – „Ich bin froh, dass ich der Münsteraner Volksfeind sein darf!“

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Aurel Bereuter (li.) ist der „Volksfeind“. (Foto: th)

Ein Besuch im Theater Münster, die beste Wahl an einem regnerischen Winterabend in Münster. Dazu noch ein Gläschen Wein mit dem Hauptdarsteller des soeben bestaunten Stückes, das lässt sich doch ganz gut an. Ein Volksfeind – So der Titel des gesellschaftskritischen Dramas von Henrik Ibsen aus dem Jahr 1882. Das Alter merkt man dem Stück in seinem Inhalt jedoch nicht an, es ist immer noch brandaktuell.

Kurz umrissen geht es um den jungen Familienvater und Badearzt Dr. Thomas Stockmann (Aurel Bereuter), der einem Umweltskandal auf die Schliche gekommen ist. Dieser würde nicht weniger als die vorübergehende Schließung des Bades und in Konsequenz natürlich herbe finanzielle Einbußen bedeuten, vom im vielerlei Hinsicht fatalen Imageverlust des Ortes ganz zu schweigen.

Während sich Stockmann noch in der Rolle des designierten Retters sieht, muss er schnell feststellen, dass die Sache weitaus komplexer ist. Sein Bruder Peter (Mark Oliver Bögel), der Bürgermeister der Stadt lässt ihn schnell wissen, dass der Skandal bei der Öffentlichkeit schlecht aufgehoben ist. Auch die zunächst auf seiner Seite geglaubte Presse entpuppt sich eher als Fähnlein im Wind.

Ein Abend voller Konflikte also, muss sich der Arzt doch auf einem schmalen Grat zwischen Existenzängsten, moralischen Werten, Gewissensbissen und dem ‚Familienfrieden‘ bewegen. Bereuter geht in dieser Rolle offenbar voll auf. Sie ist ihm, als (relativ) frisch gebackenem Familienvater doch ein wenig auf den Leib geschneidert. Der dramatische Höhepunkt des Stückes ist unzweifelhaft der, als sich der von fast allen im Stich gelassene Dr. Stockmann nicht anders zu helfen weiß, als den Skandal auf einer Bürgerversammlung publik zu machen.

Gesellschaftskritik, die für einen Moment auch mal das Thema des Stückes zu verlassen scheint gibt es hier, präsentiert in einer wuchtigen Rede. Dies liegt mitunter auch daran, dass Bereuter bei dieser Rede im Vorfeld nicht nur textlich stark mitgewirkt hat, sondern sie ihm auch noch reichlich Platz für Improvisation bietet. Gerade diese Rede „gibt dem Stück eine eigene Dynamik, da sie nicht komplett vorgeschrieben ist.“ Wie deutlich diese Dynamik zum Tragen kommt, merkt man daran, dass es nicht selten auch zu Zwischenrufen aus dem Publikum kommt. Bereuter weiß als Kabarettist aber damit umzugehen, so sieht er es als ein Stück Interaktivität an, die im Theater ja auch nicht alltäglich ist: „Darum geht es, Interaktivität. Das habe ich im Kabarett schmerzhaft lernen müssen, die 4. Wand (Publikum, Anm. d. R.) aufzureißen zu wollen und auf Zwischenrufe eingehen können.“

Er geht in dieser Rede harsch mit den demokratischen Prinzipien ins Gericht und klärt schonungslos auf, nicht nur über den Wasserskandal seiner Stadt. Hier wird man gebannt in den Sitz gedrückt und fast gezwungen seine eigenen Werte zu hinterfragen. Genau da entdeckt der Schauspieler auch den zentralen Punkt des Stückes: „Die Kernfrage: Wenn wir alles wissen, warum handeln wir dann nicht danach? – Darum liebe ich es, dieses Stück spielen zu dürfen!“

Ein Lob für diese fast schon wahnsinnige Rede gibt er an seinen Gegenpart im Stück, Mark Oliver Bögel weiter. Obwohl doch hier eigentlich die Vermutung naheliegt, dass sich gerade bei so einer Gelegenheit ein Schauspieler in die Herzen der Einzelkritiken spielen kann: „Man ist in so einer Nummer nur so gut wie sein ‚Gegenspieler‘, trotzdem ist es ein Freischlag um womöglich auf sich aufmerksam zu machen. Gerade wenn man an dem Text der Rede so mitwirken und sich selbst zu 100% dort einbringen kann. Es ist wie das eigen Fleisch und Blut, was man mit einfließen lässt.“ Herzblut ist es, was Bereuter in dieser Rede transportiert, mündet die Bedrücktheit beim Zuhören doch am Ende in Gänsehaut. Bravo!

Vermeintlich simpel, aber doch auch vielschichtig ist die Handlung. Je nachdem, wie viel Denkarbeit man in der Lage oder willens ist, beim Zuschauen zu investieren: „Das schaffen nur die besten Drehbuchautoren, Geschichten in einer Familie so vielfältig aufzufächern.“ Ein treffendes Lob an den Autor Ibsen.

Dieses Stück „zeigt, wie dicht Theater an der Lebensrealität sein kann.“, dem kann man nur beipflichten, wenn man noch einmal bedenkt, dass dieses Drama fast 130 Jahre auf dem Rücken trägt.

Aurel Bereuter ist 1973 in Österreich geboren, lebt jetzt seit gut 2 Jahren mit seiner Frau und seinem Sohn in Münster. Er gehört fest zum Ensemble des Theater Münster. Wir danken herzlichst für den kurzweiligen Abend im Kleinen Haus und das anschließende, wirklich interessante Gespräch. Den „Volksfeind“ gibt es nur noch einmal zu sehen und zwar am 20.3.14 im Kleinen Haus, mit Glück sind noch einige Restkarten zu bekommen, es wird sich lohnen, dafür bürgen wir!