300 Stufen bis zum Glück Türmerin Martje Saljé tutet seit rund einem Jahr auf St. Lamberti

Halbstündlich zwischen 9 und 12 Uhr abends tutet Martje Saljé mit dem historischen Kupfer-Horn. (Foto: th)
Halbstündlich zwischen 9 und 12 Uhr abends tutet Martje Saljé mit dem historischen Kupfer-Horn. (Foto: th)

Und am Ende stellt sie sich doch wieder, die Frage nach der Toilette. Wo geht die Türmerin eigentlich auf’s Klo? Das wollen die Leute immer noch gerne von Martje Saljé wissen, und das, obwohl sich die Türmerin diese Frage selbst eigentlich gar nicht stellt. Auch nach rund einem Jahr Tätigkeit 75 Meter über dem Erdboden in luftiger Höhe noch nicht.

So lange tutet die erste weibliche Amtsinhaberin auf dem Turm der Lambertikirche schon in ihr historisches Kupferhorn – alle 30 Minuten zwischen 21:00 Uhr und Mitternacht. Wer 300 Stufen zu seinem Arbeitsplatz erklimmt, plant eben gut voraus. Und bis auf ein Wasserkloset scheint die 34-Jährige alles zu haben.

In ihrem Dienstzimmer in der Turmspitze stehen Bücherregale, Tisch und Stühle, Schreibtisch und Laptop. Auf einem Regal hockt Emil, der Erpel. Eine kuschelige Stoffente, die artig jeden Abend auf die Türmerin wartet. Pünktlich schließt Martje die Tür zu ihrem Turmzimmer auf, in dem sie alleine, aber niemals einsam ist. „Es ist mein absoluter Traumberuf“, schwärmt die gebürtige Oldenburgerin. „Ich gehöre absolut hierher, mein Gefühl hat mich nicht betrogen“, so Martje. 40 Männer und sechs Frauen hatten sich auf den Posten beworben, den die Stadt deutschlandweit ausgeschrieben hatte, neun Bewerber wurden damals zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

„Ich bin hier so glücklich!“

Für Martje ist ihr Traum vom Türmen wahr geworden. Wie märchenhaft ihr Beruf ist, beweist nicht nur der traumhafte Ausblick, den die Türmerin jeden Abend immer wieder voll genießen kann. Oft rufen ihr auch begeisterte Türmerinnen-Fans charmante Sachen vom Erdboden zu. „Rapunzel, lass dein Haar herunter“, bekommt die Turm-Prinzessin zu hören, nachdem sie getutet hat oder „Zugabe, Zugabe“. „Ich bin hier so glücklich, ich möchte das, was ich tue, so lange wie möglich ausüben“, freut sich Martje über ihren Posten. Lächeln gehört ohnehin zu den vielen wunderbaren Eigenschaften der stets gut gelaunten Türmerin. „Meine Mama hat immer zu mir gesagt, ich wäre ein Freukeks“, schmunzelt Martje.

Das abendliche Tuten ist für die Türmerin längst zum Ritual geworden, genauso, wie der Aufstieg. Die Stufen zählt die Türmerin trotzdem noch jedes Mal beim Hochgehen einzeln, der Sport gehört für die junge Frau mit dazu. „Durch das tägliche Trainig merke ich, dass es mir besser geht, ich bekomme auch viel besser Luft“, so die Türmerin, die sich das Fitnesstudio so locker sparen kann. Wenn es mal keine Treppenstufen sind, dann geht Martje gerne Joggen. Eine Runde um den Aasee oder die Promenade darf es für sie sein.

„Der Turm ist mein ausgebautes Hobby.“

Wenn kein Sport auf dem Programm steht, hat sich die studierte Historikerin und Musikerin den Büchern und der Musik verschrieben. Oft schleppt Martje ihre Gitarre durch den engen Wendeltreppenaufgang auf dem Rücken mit auf dem Turm, denn dort oben könne man so schön ungestört spielen, singen und musizieren. Ansonsten verschlingt die Türmerin Bücher. Die Ilias-Sage von Homer, Werke von Annette von Droste-Hülshoff sowie ein Sachwörterbuch über Türmer zieren die vollen Regale. Überhaupt interessiert sich die Türmerin nicht nur für Literatur im Allgemeinen, sondern speziell für Texte über das Türmertum, insbesondere über das münsterische sowie all ihre Vorgänger im Amt. „Der Turm ist mein ausgebautes Hobby“, gibt Martje zu.

Die Begeisterung für ihren Beruf steht der Türmerin ins Gesicht geschrieben.(Foto: th)
Die Begeisterung für ihren Beruf steht der Türmerin ins Gesicht geschrieben.(Foto: th)

In ihren eigenen vier Wänden warten Haustiere auf die liebevolle Frau. Katze „Coco lazu Miez de la Mau“ und Ziesel „Tinkerbell“. Das Ziesel, eine Gattung der Erdhörnchen, sei ein 13-streifiges, das allerdings 14 Streifen hat.

Bei ihren eigenen Streifzügen durch die Stadt wird die Türmerin oft erkannt. Auf dem Markt spricht man sie an: „Sind sie es wirklich“ und im Café schaut man manchmal ehrfürchtig zu ihr herüber. Martje liebt Münster und will nie wieder weg. Ob Karneval oder Kirmes, was immer in der Domstadt geschieht, Martje will mitmachen. Auf dem Send fährt sie ironischerweise gerne Riesenrad. Nicht nur, weil sie natürlich keine Höhenangst hat, sondern weil der Ausblick so schön sei. „Man fährt ganz langsam hoch, beim Turmaufstieg sieht man nichts, bis man oben ist“, schmunzelt die Türmerin.

Der Toiletten-Notfall ist übrigens noch nie eingetreten. Seit neuestem existiert aber eine kleine Camping-Toilette…

… ach ja: die Türmerin ist auch online zu finden. Besucht mal ihren Blog!

 

 

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