Am Donnerstag feierte ein neues Stück über unser Verhalten in der digitalen Welt seine Premiere am Wolfgang Borchert Theater: „Die Mitwisser“ vom 40jährigen Autor Philipp Löhle. In den Hauptrollen glänzen Florian Bender als Theo Glass und Jürgen Lorenzen als „Herr Kwant“.
Theo Glass hat sich einen Kwant besorgt. Das ist kein Gerät, sondern ein unauffälliger, dienstbeflissenen Herr im schwarzen Anzug, der auf alles eine Antwort weiß und seinen Besitzern wie ein klassischer Diener alle gestellten Aufgaben erledigt. Ganz begeistert lässt Theo sich zu immer mehr Einsatzmöglichkeiten verführen und lässt „Herrn Kwant“ schließlich sogar seine Arbeit als Enzyklopädist ausführen. Theos Freundin Anna bleibt erstmal skeptisch, denn für ihren Geschmack mischt sich Kwant in viel zu viele persönliche Dinge ein. So wie im wirklichen Leben heute immer mehr Menschen Siri oder Alexa benutzen, wollen im Stück auch immer mehr einen eigenen Kwant haben. Keiner fragt sich, warum es den wohl kostenfrei gibt…
„Heute müssen Sie Ihre Mobiltelefone nicht ausschalten“, hieß es zu Beginn,“nur so ist das Zuschauerverhalten für uns sichtbar.“ Ja, genauso wie bei Google, Facebook & Co. Denn von diesen Unternehmen, die mehr Daten über uns gesammelt haben, als wir selber freihändig aufsagen könnten, hat sich der Autor Philipp Löhle inspirieren lassen. „Die Mitwisser“ nannte er sein Stück daher, das im letzten Jahr in Düsseldorf uraufgeführt wurde. Beim Wolfgang Borchert Theater feierte es am Donnerstag Premiere in einer Inszenierung von Monika Hess-Zanger, die an vielen Stellen eher komödiantisch als erschreckend ist. Das passt auch zu der vom Autor erfundenen Bezeichnung „Eine Idiotie“ für sein Werk, was irgendwie so ähnlich klingt wie Utopie oder Dystopie, uns aber „nochmal richtig vor Augen führt, wie idiotisch unser Umgang mit Big Data sein kann“, wie die Regisseurin sich im Programmheft zitieren lässt.
Löhle hat die ganzen bekannten Bezeichnungen aus der Welt des Internets durchgängig eingedeutscht und in einfache Bilder übersetzt. Das ist längst nicht immer so eindeutig und leicht entschlüsselbar, wie bei dem Fotoalbum „Gesichtsbuch“ für Facebook oder dem Verkauf von Blumen „von der Leine“ für den Online-Handel, wobei die Sträuße tatsächlich von einer Wäscheleine gepflückt werden. Als Theo in einer der letzten Szenen, in der er die wahren Absichten der Kwants als Whistleblower vor laufenden Fernsehkameras aufdecken will, als „Pfeifenbläser“ bezeichnet wird, sorgte das beim Premierenpublikum für große Heiterkeit. Die komischen Elemente des Stücks unterstützt die Inszenierung noch dadurch, dass die einzelnen Szenen oft wie in einer Nummmernrevue mit einer flotten, kurzen Melodie eingeleitet und abgeschlossen werden.
Kostüme und Bühnenbild hingegen betonen das Surrealistische an der gesamten Geschichte, mit unverhohlen eindeutigen Anspielungen an das Werk von René Magritte. Bei ihm tauchen ja in vielen Bildern oft nahezu gesichtslose Herren in schwarzen Anzügen auf, diesem Vorbild sind auch die Kwant im Borchert-Theater nachempfunden, einschließlich Melone und Aktentasche. In diese Rolle schlüpfen alle Darsteller des Abends irgendwann mal, den ersten und wichtigsten Herrn Kwant spielt Jürgen Lorenzen in einer Paraderolle herrlich süffisant aus. Florian Bender zeigt überzeugend den Wandel vom begeisterten Nutzer bis zum Opfer und Warner. Es macht Spaß, dem Ensemble bei ihrem Spiel zuzusehen. Was völlig okay ist, denn schließlich nimmt auch das Stück selbst seine Botschaft nicht so fürchterlich ernst, sondern macht sich über unser Verhalten und unsere menschlichen Schwächen eher lustig, als wirklich vor den Gefahren der Digitalen Welt zu warnen.
Die nächsten Aufführungen sind am 13. und 14. April, am 3. und 4. Mai sowie am 9. Juli, weitere Termine folgen. Weitere Infos unter www.wolfgang-borchert-theater.de
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