
„Wir feiern Demokratie“ – unter diesem Titel fand am frühen Samstagabend eine ganz besondere Outdoor-Revue statt, bei der Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Migrationsgeschichte in ganz unterschiedlichen Szenen zeigten, was sie von unserer Gesellschaft erwarten und was sie selbst dazu beitragen können.
Die Zuschauer, die sich rund um die Spielfläche im Rathausinnenhof verteilt hatten, sollten aber nicht nur zuschauen, sondern Teil der Inszenierung werden. Das wurde schon gleich zu Beginn klar, als einige der jungen Schauspielerinnen ein langes rotes Tuch, das eben noch eine Requisite bei einer Tanz-Performance war, wie eine Grenze zwischen Teile des Publikums legten und sie dadurch in drei Gruppen einteilten. Die Einen sollten breitbeinig stehen, die Anderen sich auf den Boden setzen und das letzte Drittel mit verschränkten Armen stehen – alles eher abweisende Haltungen.
Abweisen und Integrieren als die beiden wesentlichen Grundmotive
Abweisen und Integrieren, das waren zwei gegensätzliche Grundmotive, die sich durch viele der gespielten Szenen hindurchzogen. Oft umgesetzt durch Pantomime oder Tanz, wobei Seile mal als verbindendes Element dienten oder als Abgrenzungen. Mit solchen einfachen Mitteln lässt sich schon einiges darstellen, vom miteinander Leben bis zu Diskussionen und Streit.
Die junge Schauspielschar blieb aber nicht dabei, sondern zeigte auch Spielszenen mit Texten. Dabei war die Frage nach Chancengleichheit ein wesentlicher Aspekt. Da ging es dann um Frauenrechte in der Politik oder um die Nachteile eines queeren Paares. In einer Art TV-Spielshow trat es gegen ein gutbürgerliches Hetero-Paar an und verlor natürlich jede Runde, sei es bei der Wohnungssuche, bei den Versuchen, kirchlich zu heiraten oder ein Kind zu adoptieren. In einer anderen Szene zeigten die jugendlichen Schauspieler, wie schnell aus Missverständnissen in einer Art von „Stiller Post“ so etwas wie Fake News entstehen, die am Ende nur dazu dienen, den Ausländerhass anzufeuern.
Ist „Heimat“ immer das, was wir gerade vermissen?
Besonders eindringlich war eine Szene, in der ausschließlich Mitspielende mit Migrationserfahrung auftraten und offensichtlich von ihren eigenen Erlebnissen und Gefühlen berichteten. Gerade das Thema „Heimat“ scheint für sie alles andere als leicht zu sein. Eine junge Frau schilderte, dass sie immer wieder ihr altes Umfeld in Afghanistan und im Iran vermissen würde, obwohl es ihrer Familie dort sehr schlecht ging. Aber genauso würde sie auch Münster vermissen, wenn sie mal für eine Weile woanders ist.
In einer weiteren Szene ließ Stella Bensmann das Publikum darüber abstimmen, ob die Mehrheit in unserer Gesellschaft sich eher mitfühlend und unterstützend gegenüber ihren Mitmenschen verhält oder abweisend und egoistisch. Mit „Interessant“ kommentierte sie das Ergebnis und stellte es als einen Versuch dar, den eine niederländische Professorin jedes Jahr mit ihren neuen Studenten durchführt. Demnach halten viele „die Gesellschaft“ für viel schlechter, als die wirklich sei und sie selber sind. Als Beispiel schilderte sie den aus vielen Zeugenaussagen belegten rücksichtsvollen Umgang der New Yorker untereinander, die am 11. September 2001 nach dem Attentat die Twin Towers in Manhattan eben nicht in einer Massenpanik verließen, sondern auf ihre Mitmenschen achteten.
Tücken der Demokratie
In weiteren Spielszenen ging es darum, wie demokratische Abstimmungen ablaufen und welche Tücken es dabei gibt. Da wurde das Schicksal eines herrenlosen Sofas wie ein Wahlkampf zwischen den Mietparteien eines Hauses durchgeführt, den am Ende derjenige mit der größten wirtschaftlichen Macht gewann: der Vermieter. Abgerundet wurde die etwa 70-minütige Performance durch Gedichte von Robert Gernhardt und Hanns Dieter Hüsch sowie einem Lied, das die Sängerin elly eigens für diesen Anlass verfasst hat.
Am Ende sprachen die jungen Darsteller einzelne Zuschauer direkt an und luden sie ein, sich gemeinsam mit ihnen an den Tisch zu setzen, etwas zu trinken und zu knabbern und miteinander zu reden. Mehr und mehr wurden hinzugeholt und so wurde das Publikum ganz elegant wieder Teil der Inszenierung, in der „das Miteinander“ als zentrales Merkmal der Demokratie herausgestellt werden sollte. Tatsächlich verbreitete sich eine gute Stimmung auf dem Rathausinnenhof, dem „Platz des Westfälischen Friedens“, und tatsächlich schienen sich alle irgendwie miteinander zu unterhalten und es war dann wirklich eine kleine Feier.
Verschiedene Theatergruppen zusammengeführt
Dass es sich am Ende so gut aufgelöst hat, nahm Alban Renz mit einer gewissen Erleichterung auf. Als Leiter einer der verschiedenen Theatergruppen aus Münster hatte er natürlich ein professionellen Blick auf das Geschehen geworfen. Die Gruppen waren erst zwei Wochen vor der Aufführung zusammengekommen. Das bestätigte uns auch die 21-jährige Studentin Madita Küper, die sich regelmäßig beim „Montagstraining im Jib“ beteiligt: „Dort proben wir aber normalerweise keine Stücke, sondern machen verschiedene schauspielerische Übungen“. Zusammengeführt wurde alles von Cactus Junges Theater in Kooperation mit der Jugendtheater-Werkstatt e.V. und dem Geschichtsort Villa ten Hompel.
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