Rechtsdemo: „Muss das eigentlich sein?“ Polizei Münster erklärt das Versammlungsrecht und verbreitet Anleitungen zum richtigen Verhalten auf Demonstrationen / Bündnis mahnt die Polizei zur Verhältnismäßigkeit

Wie schon am 31.5. wird sich bei den Demos am Samstag vieles direkt vor dem Hauptbahnhof abspielen. (Foto: Thomas Hölscher)

Morgen wird spätestens ab 14 Uhr der Bereich zwischen Hauptbahnhof, Hafenstraße und Ludgerikreisel für einige Stunden fest im Griff von mehreren Demonstrationen sein. Denn der für dann geplante Demonstrationszug aus dem Umfeld der NPD-Nachfolge-Partei „Die Heimat“ hat dazu geführt, dass das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ als Gegenprotest vier Kundgebungen entlang der Route des rechtsextremen Aufmarsches angemeldet hat. Die Polizei Münster hat dazu gestern eine ungewöhnlich ausführliche Stellungnahme veröffentlicht, verbunden mit einigen klaren Ansagen, die sich an die Gegendemonstranten richten.

Ungewöhnlich ist auch die Überschrift der Meldung, die von der Polizei sowohl als Pressemitteilung und auf der eigenen Homepage als auch über die eigenen Social Media-Kanäle verbreitet wurde, was dort im Kommentarbereich immer noch lebhaft diskutiert wird. „Rechtsdemo am Samstag in Münster ‚Muss das eigentlich sein?'“, heißt es in der Überschrift, ergänzt um den Satz „Warum das Recht auf Versammlung herausragend wichtig ist – und was die Polizei damit zu tun hat“. Damit leitet die Polizei eine Erläuterung zum Versammlungsrecht ein, wobei sie mehrfach betont, sich neutral verhalten zu müssen: „Selbst diejenigen, die diese Staatsform abschaffen wollen, haben das Recht, ihre Meinung frei zu äußern“, heißt es da unter anderem. „Das ist auch für Polizistinnen und Polizisten nicht immer leicht zu ertragen. Dennoch gehört es zu unserem Auftrag, auch solche Versammlungen zu ermöglichen, wenn sie denn friedlich verlaufen.“

Die Polizei scheint aber zu befürchten, dass es bei den Demonstrationen am Samstag nicht so friedlich abläuft, wie sie es gerne hätte. Nach den Erfahrungen vom 31. Mai scheint sie zu erwarten, dass einige Gegendemonstranten sich wieder zu Sitzblockaden auf den Straßen niederlassen, um so dem erwarteten Verlauf der rechtsextremen Demo so sehr im Weg zu sein, dass diese nicht weiter kommt. Jedenfalls schließt die Polizei an ihre Erklärung zum Versammlungsrecht und der Schilderung ihres eigenen Dilemmas („Es ist die gesetzliche Aufgabe der Polizei, Versammlungen zu schützen, dies ist komplex, mit vielen rechtlichen Facetten bewehrt und immer der Gefahr ausgesetzt, Kritik von allen Seiten zu bekommen“) einen umfangreichen Katalog zum richtigen Verhalten bei Demonstrationen an.

Katalog zum richtigen Verhalten bei Demonstrationen

Es beginnt mit der Aufforderung, friedlich zu demonstrieren und „die Chancen der Meinungsfreiheit, die unsere Demokratie bietet“ zu nutzen, dabei aber bitte „die Polizei bei der Gewährleistung eines friedlichen Verlaufs“ zu unterstützen und „den Weisungen der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen“ zu folgen. Dass bei solchen Versammlungen keine Uniformen getragen werden oder „Waffen oder gefährliche Gegenstände“ mitgeführt werden dürfen, sollte jeder wissen. Aufschlussreicher ist der Hinweis auf das „Vermummungsverbot“ („Denken Sie daran: die eigene Identität zu verschleiern, ist bei Demonstrationen nicht zulässig“), denn bei solchen Anlässen wird von einigen Teilnehmern gerne ein Tuch oder Schal vor das Gesicht gezogen oder eine Corona-Schutzmaske getragen. Wird das womöglich dazu führen, dass die Polizei deswegen einzelne Demonstranten herausgreift?

Ganz sicher wird die Polizei wohl diesmal gegen Sitzblockaden eingreifen. Denn sie schließt den hier zitierten Beitrag mit der Aussage, „Verhinderungsblockaden und Gewalt sind ein NoGo und nicht vom Versammlungsrecht gedeckt“. Wir werden berichten.

Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ kündigt massive Proteste an

Zu dem Protest hat das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ aufgerufen. Insgesamt kündigt es vier Kundgebungen entlang der Route des rechtsextremen Aufmarsches an:
• 12 Uhr vor dem Hauptbahnhof
• 12 Uhr am Ludgerikreisel vor Dominos Pizza
• 13 Uhr am Ludgerikreisel vor dem Integrationsrat
• 13 Uhr am Gleis 22

An vielen Stellen in Münster sind in diesen Tagen Aufrufe zu sehen, sich an den Protesten am Samstag zu beteiligen. (Foto: Ralf Clausen)

Auslöser ist ein Aufmarsch, zu dem eine Dortmunder Gruppe aus dem Umfeld der NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ aufgerufen hat, der „Freundeskreis Siegfried Borchardt“ (wir berichteten). Deren Demo soll ab 14 Uhr am Hauptbahnhof starten und bis zum Ludgerikreisel gehen. „Der extrem rechte Aufmarsch wird also sein eigentliches Ziel, das Oberverwaltungsgericht an der Aegidiistraße nicht erreichen. Dies wertet das Bündnis als ersten Erfolg“, heißt es in der Pressemitteilung des Keinen-Meter-Bündnisses nicht ohne Stolz. „Natürlich freut es uns, dass die extrem rechte Demo aufgrund der massiven Gegenproteste ihr eigentliches Ziel, das OVG, nicht erreichen wird“, stellt Bündnissprecher Carsten Peters fest. „Wir werden uns aber auch einem verkürzten Naziaufmarsch entgegenstellen: Und zwar laut, solidarisch und entschlossen. So haben wir das in Münster immer getan und so werden wir das weiterhin tun.“

Und seine Kollegin Liza Schulze-Boysen ergänzt: „Hätten die Nazis einen letzten Funken Anstand untereinander, würden sie Siegfried Borchardt und seinen Angehörigen wenigstens ihre Ruhe lassen. Stattdessen versucht die „Heimat“ nun posthum, einen notorischen Schläger, Ewiggestrigen und am Ende Alkoholiker zu rehabilitieren um sich selbst eine Identifikationsfigur zu schaffen. Doch das werden wir nicht zulassen. Wir sagen es ganz deutlich: Siegfried Borchardt hat der Welt nichts hinterlassen, dass ein Gedenken rechtfertigen würde.“

Peters: „Wir erwarten, dass die Polizei verhältnismäßig agiert“

Das Bündnis erinnert daran, dass einige der angekündigten rechten Redner bereits in früheren Jahren versucht haben in Münster aufzumarschieren: Sascha Krolzig und Sven Skoda wurden 2006 bei Nazi-Demos im Hansaviertel und in Hiltrup gleich zweimal blockiert. 2012 sahen sich alle angekündigten Redner bei einem Aufmarsch im Rumphorstviertel mit massiven Protesten konfrontiert, seitdem mieden sie die Stadt.

Mit dem Blick auf die letzten Demonstrationen vor gut einem Monat („als die Polizei versuchte einen extrem rechten Aufmarsch durchzusetzen und damit scheiterte“) mahnt das Bündnis die Polizei zur Verhältnismäßigkeit: „Wir haben am 31.5. gesehen, wie stark der Gegenprotest in Münster ist und wie schnell der Polizei die Kontrolle über so eine Großlage teilweise entgleiten kann. Am 5.7. ist die Gefahr, die von der extrem rechten Demo ausgeht, ungleich höher. Wir erwarten, dass die Polizei verhältnismäßig agiert und die Sicherheit aller Demonstrierenden gewährleistet“, stellt Peters klar. „Wir erwarten am 5.7. wieder ein starkes Zeichen gegen Rechts in Münster und sind sicher, dass wieder viele Tausend Menschen mit uns auf die Straße gehen werden.“

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