Pfarrer Abboud verlässt Münster Libanese hat Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen aufgebaut / Nach 14 Jahren kehrt er zurück in seine Heimat

Pfarrer Miled Abboud verlässt Münster nach 14 Jahren. (Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann)
Pfarrer Miled Abboud verlässt Münster nach 14 Jahren. (Foto: Bischöfliche Pressestelle / Ann-Christin Ladermann)

Als Pfarrer Miled Abboud 2007 aus seiner Heimat, dem Libanon, nach Münster kam, kannte ihn niemand. Heute besuchen zu Nicht-Corona-Zeiten 70 Familien mit im Schnitt fünf Personen regelmäßig die Gottesdienste der Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen in Münster, die der Geistliche vor zehn Jahren gründete. Pfarrer Abboud kennt alle mit Namen, weiß, wo und wie sie leben und er weiß um die Sorgen und Wünsche der Familien. Am Samstag, 14. November, wird der 50-Jährige nach 14 Jahren in Deutschland im kleinen Rahmen verabschiedet. Er kehrt zurück in den Libanon.

„Ich bin sehr, sehr dankbar für meine Zeit in Deutschland“, sagt Pfarrer Abboud. Der Patriarch bat ihn 2007, nach Münster zu gehen, um seine theologischen Studien an der Universität weiterzuführen und sich um die damals noch überschaubare Zahl arabischer Christen in Enschede, Amsterdam, Hannover, Hamburg und im niedersächsischen Syke zu kümmern. „Mit 36 Jahren habe ich zum ersten Mal ein deutsches Wort gehört“, erinnert er sich. Mit viel Gottvertrauen machte er sich auf den Weg. In Münster selbst gab es zu dem Zeitpunkt noch keine Gemeinde arabisch-sprechender Christen. 2010 feierte Pfarrer Abboud im Begegnungszentrum in Kinderhaus erstmals eine arabische Eucharistie – die Geburtsstunde der Gemeinde, die seitdem jede Woche in der Krypta der St.-Antonius-Kirche für den Gottesdienst zusammenkam.

Haben andere christliche Gemeinden mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen, ist die der arabisch-sprechenden Christen eine der wenigen, die aus der Not heraus kontinuierlich wuchs. „2011 begann der Bürgerkrieg in Syrien, ab 2015 breitete sich der sogenannte Islamische Staat in weiten Teilen des Irak aus – viele flüchteten nach Europa, auch Münster nahm viele Flüchtlinge auf“, erklärt der Geistliche. Abboud erkannte die Situation und gründete 2016 eine weitere Gemeinde in Delmenhorst und ein Jahr später eine in Gronau.

Als die Krypta zu klein wurde, feierte er zweimal pro Woche in der St.-Pius-Kirche einen Gottesdienst – abwechselnd im maronitischen und im chaldäischen Ritus. Jeden ersten Sonntag im Monat fuhr er nach Delmenhorst, Bremen oder Syke, jeden zweiten Sonntag nach Enschede, jeden dritten Sonntag nach Gronau, jeden vierten Sonntag nach Amsterdam und hatte ein Monat fünf Sonntage, war er an diesem in Hannover. Alles ohne Auto: „Ich bin ein Umweltfreund. Bus und Bahn bringen mich auch ans Ziel“, sagt er. Bescheiden ist er auch in Sachen Wohnen: Zehn Jahre lang lebte Pfarrer Abboud in einem Zimmer im Studentenwohnheim Breul. Erst vor drei Jahren bezog er eine Wohnung an der Ostmarkstraße.

Ganz nach deutscher Mentalität hatte nahezu jeder Tag des Priester eine ähnliche Struktur: Morgens und nachmittags verbrachte er viel Zeit am Schreibtisch, arbeitete an seinen Promotionen, an seinen Büchern oder bereitete Veranstaltungen vor. Zwei Doktortitel hat Pfarrer Abboud in den vergangenen Jahren an der Uni Münster erworben: Er promovierte zu den Themen „Monotheismus und Gewalt“ und zum friedlichen Zusammenleben zwischen den Christen und den Muslimen im Libanon. Mehrere Bücher hat der Theologe bereits geschrieben, aktuell arbeitet er an einem über den Westfälischen Frieden – in arabischer Sprache: „Ich ziehe eine Parallele zwischen diesem historischen Ereignis und der aktuellen Situation in Syrien und im Nahen Osten“, erklärt er. Der Westfälische Frieden habe ganz Europa verändert und eine religiöse Toleranz verankert. „Das ist ein großes Vorbild für den Irak, Saudi-Arabien und die Türkei.“

Unzählige Gottesdienste hat Pfarrer Abboud in der Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen in Münster gefeiert. (Foto: Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen Münster)
Unzählige Gottesdienste hat Pfarrer Abboud in der Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen in Münster gefeiert. (Foto: Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen Münster)

Weiter ging es im Tagesablauf: Um 17 Uhr legte Pfarrer Abboud immer eine Pause ein, bevor er um 18 Uhr selbst die Eucharistie feierte oder an einem Gottesdienst in einer der Innenstadtkirchen teilnahm. „Danach habe ich eine Familie aus der Gemeinde besucht. Jeden Tag“, berichtet der Libanese. Gemeinsam beten, essen, reden – nicht nur mit den Erwachsenen, auch mit den Kindern. „Viele brauchen einen Priester, der ihnen zuhört. Sie kommen aus schwierigen Situationen, sind traumatisiert und bekommen in Deutschland nicht selten einen Kulturschock“, weiß Pfarrer Abboud, der nicht nur seelsorgerischen Beistand, sondern auch Lebenshilfe leistete. „Ich habe die Familien oft zu Ämtern oder zu den Schulen der Kinder begleitet, um zu übersetzen.“ Der Priester ist stolz auf die Familien, die sich gut in die Gesellschaft integriert haben. Viele junge Menschen würden mittlerweile eine Ausbildung machen, sogar die Universität besuchen. Auch die Erwachsenen hätten überwiegend eine Arbeit gefunden.

Pfarrer Abboud ermutigt seine Gemeindemitglieder, die deutsche Sprache zu lernen. „Sie soll ein Plus, eine Bereicherung für uns sein“, verdeutlicht er. Die deutsche Sprache sei der Schlüssel zu einer neuen Kultur. Das bedeute nicht, die eigene Muttersprache, die eigene Kultur vergessen zu müssen. „Aber die Familien sind jetzt in Deutschland zu Hause und sollen sich mit ihrer eigenen Mentalität hier integrieren.“

Dank seines Nachfolgers Pfarrer Charbel Obeid, der bereits in Münster ist, kann Pfarrer Abboud gewiss sein, dass die Mission weitergeht: „Ich wünsche der Gemeinde, dass sie weiterhin so offen bleibt – für die Menschen, aber auch für die deutsche Kirche. Wir sind ein Teil dieser katholischen Kirche und auch der deutschen Gesellschaft.“ Was ihn nach seiner Rückkehr in den Libanon in der kommenden Woche erwartet, weiß der 50-Jährige noch nicht. „Es gibt die Idee, die Stelle eines Visitators für die arabisch-sprechenden Christen im Norden Europas einzurichten, um die Beziehungen zu stärken“, berichtet er und schmunzelt: „Vielleicht komme ich dann nach Münster zurück – aber nur als Besucher.“

Pfarrer Miled Abboud kam vor knapp 14 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland, gründete 2010 die Gemeinde der arabisch-sprechenden Christen in Münster, 2016 eine weitere Gemeinde in Delmenhorst, 2017 eine in  Gronau. Am Samstag, 14. November, wird der 50-Jährige – aufgrund der Corona-Pandemie in kleinem Kreis – verabschiedet. Die Gemeinde in Münster hat auch eine Seite auf Facebook.

 

 

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