Neue Akzente setzen – Tilman Fuchs ist ab Mitternacht Münsters Oberbürgermeister Die Amtskette des Oberbürgermeisters wurde übergeben / Interview mit dem neuen Stadtoberhaupt Tilman Fuchs

Mit der symbolischen Übergabe der Amtskette an Tilman Fuchs übergibt Markus Lewe das Amt des Oberbürgermeisters an seinen Nachfolger. (Foto: Thomas Hölscher)
Mit der symbolischen Übergabe der Amtskette an Tilman Fuchs übergibt Markus Lewe das Amt des Oberbürgermeisters an seinen Nachfolger. (Foto: Thomas Hölscher)

Medienrummel im Büro des Oberbürgermeristers: Das scheidende Stadtoberhaupt Markus Lewe übergibt die Amtskette an seinen Nachfolger Tilman Fuchs. „Ich wünsche Dir ein glückliches Händchen für unsere Stadt, wir lieben ja beide diese Stadt!“, gibt Lewe dem neuen Oberbürgermeister mit auf den Weg. Dieser hofft, dass Lewe nach 16 Jahren vollem Einsatzes für Münster jetzt die Zeit finden möge, Dinge anzupacken, die in der Zeit liegengeblieben sind. Lachend gibt Lewe zurück, dass er ihm gerne beim Kisten auspacken helfen könne. Ab Mitternacht hat Münster den ersten grünen Oberbürgermeister. Wie wird sich die Stadt dadurch verändern? Dies und mehr fragten wir Tilman Fuchs im ersten großen Interview mit ALLES MÜNSTER.

Wie blicken Sie auf die vor Ihnen liegende Aufgabe als Oberbürgermeister der Stadt Münster?

Es ist eine Mischung aus ganz viel Freude, dass es jetzt losgeht. Es ist ja eine lange Zeit, wo ich mich da jetzt irgendwie darauf vorbereitet habe mit Wahlkampf und so weiter. Aber auch mit gehörigen Respekt vor dem, was so kommt. Die Verabschiedung von Markus Lewe am gestrigen Abend hat auch nochmal dazu beigetragen, den Blick dafür zu kriegen, welche Themenbreite da wirklich bewegt wird und um was es auch wirklich geht. Das wurde nochmal viel greifbarer.

Schauen Sie mit großem Respekt auf diese Aufgabe?

Tilman Fuchs im Interview mit ALLES MÜNSTER. (Foto: Thomas Hölscher)
Tilman Fuchs im Interview mit ALLES MÜNSTER. (Foto: Thomas Hölscher)

Ja, total! Allein aufgrund der Verantwortung, die da dran hängt. Aber auch, weil ich schon merke, dass die Erwartungen natürlich groß sind. Ich glaube, dass das auch normal ist mit einem Personalwechsel nach 16 Jahren. Da gibt es viele Menschen, die sagen, jetzt gucken wir mal, was Neues passiert. Ein gutes, wie es jetzt ja immer so schön heißt, Erwartungsmanagement zu machen, ist auch eine große Aufgabe.

Gibt es eigentlich schon erste Anfragen, die reinkommen, wenn Menschen irgendein Problem haben in der Stadt?

Ja, das geht per Mail ja ganz schnell. Das ist dann auch den Menschen glaube ich entweder nicht so ganz klar oder vielleicht auch ein bisschen egal, ob man schon im Amt ist oder nicht. Auch auf der Straße werde ich schon angesprochen, das geht ganz schnell. Am schönsten ist das immer im Bekanntenkreis, wenn ein Mensch sagt: Wir wissen ja, du hast viel zu tun, aber… Das ist ganz gerne genommen! [lacht]

Was werden Sie anders machen als Ihr Amtsvorgänger?

Ich glaube, das müssen andere beurteilen, weil ich natürlich ein Bild davon habe, wie Markus Lewe gearbeitet hat. Aber ich werde das an ganz vielen Stellen natürlich in meinem eigenen Stil machen, weil ich davon überzeugt bin, dass dieses Amt sehr stark von der Persönlichkeit abhängt, von dem Menschen, der das Amt übernimmt. Deswegen wird es Unterschiede geben. Ich habe in den letzten Tagen während der Übergabe und in der Zusammenarbeit mit Markus Lewe gedacht, dass wir uns an vielen Stellen sehr ähnlich sind. Im Umgang mit Menschen, glaube ich, haben wir einen ähnlichen Zugang, das hoffe ich zumindest. Möglicherweise setzen wir thematisch unterschiedliche Schwerpunkte, das kann ich mir schon vorstellen. Natürlich ist es so, dass er nach 16 Jahren sehr, sehr viele Netzwerke hat und das nicht nur innerhalb der Stadt, sondern auch darüber hinaus. Das ist natürlich logischerweise bei mir ganz anders. Von daher werde ich sicherlich erst mal viel hier in Münster, auch hier in der Verwaltung sein. Wie gesagt, ob das dann große Unterschiede sind, das müssen andere beurteilen.

Vor der Amtsübergabe ging Fuchs mit Medienvertretern auf eine Radtour durch Münster zu Orten, die ihm wichtig sind. (Foto: Thomas Hölscher)
Vor der Amtsübergabe ging Fuchs mit Medienvertretern auf eine Radtour durch Münster zu Orten, die ihm wichtig sind. (Foto: Thomas Hölscher)

Markus Lewe war ja auch in unterschiedlichen Positionen beim Deutschen Städtetag tätig, unter anderem als Präsident. Werden Sie hier ebenfalls einen Schwerpunkt setzen?

Die Vernetzung der Stadt im Städtetag ist unerlässlich, um wirklich auch weiterhin eine Stimme zu haben und natürlich auch von anderen Städten zu lernen, im Austausch zu sein, auch da das Netzwerk zu nutzen. Von daher ist das ein ganz wichtiges Netzwerk. Einen Schwerpunkt würde ich sagen, wird es nicht in dem Sinne werden, dass ich sofort ein Amt anstrebe. Allerdings gibt es auch Regularien, wer wen quasi ins Präsidium wählt und so weiter. Aber klar ist, dass wir da weiterhin als Stadt eine starke Stimme brauchen, sowohl in NRW als auch bundesweit.

Gestern während der Abschiedsfeier für den scheidenden Oberbürgermeister ist deutlich geworden, wie eng die Verbindung zu den Niederlanden ist, auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Wird das auch bei Ihnen eine größere Bedeutung haben?

Also die Partnerschaft zu den Niederlanden auf jeden Fall, weil ich, genauso wie das gestern auch genannt worden ist, davon überzeugt bin, dass das wirklich Europa im Kleinen ist, dass wir da ganz, ganz viel machen können. Und ich finde – das ist gestern an konkreten Beispielen nochmal deutlich geworden – dass es wirklich Nutzen für die Menschen hat, ob das in der Pandemie die Versorgung mit Krankenhausplätzen war oder auch viele andere Dinge. Aber auch als politisches Signal: Wir arbeiten hier international zusammen über die Grenze hinweg. Die ist ein Strich auf der Landkarte, aber mehr für uns nicht. Das will ich gerne weiterführen und dazu gehört für mich auch wirklich die Zusammenarbeit im Münsterland. Ich finde, dass auch das wichtig ist, dass wir als Stadt eine Rolle spielen. Wir sind Oberzentrum, ja, aber wir sind auch abhängig von guten Kreisen um uns herum, weil die Menschen die Regionen sehen und nicht nur unbedingt die Stadt.

Ein großer Teil der Münsteranerinnen und Münsteraner haben ja ganz bewusst einen Grünen als Oberbürgermeister gewählt.

Das hoffe ich! [lacht] Viel ist, glaube ich, aber auch von der Persönlichkeit abhängig.

Viele werden auch mit einer gewissen Erwartungshaltung gesagt haben, so jetzt werden wir Grün! Wird das die Stadt stark verändern?

Der neue Oberbürgermeister spricht über seine Wünsche für die nächsten Jahre. (Foto: Thomas Hölscher)
Der neue Oberbürgermeister spricht über seine Wünsche für die nächsten Jahre. (Foto: Thomas Hölscher)

Es gibt viele Themen, die in den letzten Jahren aufs Gleis gesetzt worden sind und jetzt auch fortgeführt werden, mit denen ich vielleicht ein bisschen anders umgehen werde, aber die fortgeführt werden. Von daher glaube ich nicht, dass es so viele ganz einschneidende, riesige Veränderungen gibt. Aber in der Schwerpunktsetzung wird es natürlich Themen geben, die mir näher und wichtiger sind, als es möglicherweise in den letzten Jahren der Fall war. Inwieweit das wirklich sehr schnell bemerkbar ist, ist tatsächlich in den nächsten Jahren mal zu beobachten.

Was ich wichtig finde, ist die Zusammensetzung der Stadt, in der wir eine sehr verlässliche traditionelle Einwohnerschaft haben, zu der ich ja auch gehöre, ich habe schon immer hier gewohnt und bin nie weggezogen. Und dass Münster einfach so schön ist, inklusive der ganz vielen Menschen, die nach Münster kommen, weil sie hier studieren, weil sie zugewandert sind. Diese Mischung aus alt und neu bedeutet für mich auch, eine Stadt zu verantworten, die nicht zu schnell zu große Veränderungen machen darf, weil das ansonsten die Menschen abhängt. Deswegen glaube ich, dass es ganz wichtig ist, bei allen Dingen, die jetzt anstehen, ganz, ganz viel zu kommunizieren, immer wieder mit den Menschen im Gespräch zu sein. Wir müssen uns fragen: Was bedeutet das eigentlich für euch konkret? Worauf müssen wir achten, damit es für euch auch gut machbar ist, wenn es Dinge sind, die bei manchen Menschen auch einschneidend sind, die sie vielleicht nicht sofort gut finden?

Wie ist denn die Erwartungshaltung innerhalb Ihrer Partei? Stehen da alle schon, scharren mit den Füßen und sagen, dass Münsters Innenstadt im Januar autofrei sein muss?

Obwohl Fuchs noch nicht im Amt ist, ist er bereits ein gefragter Gesprächspartner bei den Medien. (Foto: Thomas Hölscher)
Obwohl Fuchs noch nicht im Amt ist, ist er bereits ein gefragter Gesprächspartner bei den Medien. (Foto: Thomas Hölscher)

Ja natürlich ist das ein bisschen so. Aufgrund des Wahlergebnisses, bei dem ja auch die Fraktion mehr Stimmen bekommen hat als beim letzten Mal und noch mal gestärkt aus der Wahl rausgegangen ist, plus dem Oberbürgermeister, den wir stellen, ist da natürlich schon so eine Stimmung. Jetzt haben wir an vielen Stellen die Möglichkeit, Dinge umzusetzen, die vielleicht bisher eher länger gedauert haben oder nicht möglich waren. Auch da ist, glaube ich, die große Kunst zu sagen, dass ich natürlich für die Grünen angetreten bin, aber jetzt Oberbürgermeister der Stadt Münster und damit aller Bürgerinnen und Bürger bin. Und ich muss, und das ist mein Anspruch, alle Anforderungen, die an mich gestellt werden – egal von wem – auch im Blick behalten. Deswegen wird es mit Sicherheit auch an der einen oder anderen Stelle immer mal was geben, wo die Partei vielleicht sagt: Oh das hätten wir aber gerne schneller. Aber ich muss sagen, wir müssen uns viele andere Dinge und Rahmenbedingungen auch angucken.

Zur autofreien Innenstadt. Die Innenstadt ist ja erst mal gar nicht wirklich definiert. Also was ist das eigentlich? Vor fünf Jahren sind die Grünen angetreten mit der autofreien Altstadt. Die haben wir ja fast, wenn man sich das ehrlicherweise anschaut. Und wir haben in der Nähe zur Altstadt so viele Parkhäuser, die wir auch benötigen, weil es gar nicht anders geht. Von daher kann, glaube ich, eine komplett autofreie Innenstadt auch nicht das Ziel sein. Es muss das Ziel sein, den Verkehr so zu organisieren, dass die Leute nicht mehr nur im Stau stehen – das sagen alle, egal ob sie mit dem Auto fahren oder mit dem Bus, oder auch zum Teil mit dem Fahrrad – die Situation muss verbessert oder verändert werden. Da sehe ich schon auch Potenzial, gerade an dem Punkt, wie man den ÖPNV stärkt, schneller macht. Das geht aber dann allerdings auch nur auf Kosten des Straßenraums, der bisher von Autos genutzt wird.

Was steht als jetzt erstes im Amt als Oberbürgermeister an? Was steht als erstes bei Ihnen auf der Agenda?

Das sind Themen, die mich die nächsten fünf Jahre beschäftigen werden, Dinge, die von außen herangetragen werden. Also nichts, was ich mir selber vorstelle, sondern das ist der Haushalt. Also wir müssen im Dezember bei mir den Haushalt in den Rat einbringen. Da ist auch in den letzten Monaten schon verwaltungsintern viel dran gearbeitet worden. Aber da möchte ich natürlich jetzt auch schnell draufschauen, weil es der erste Haushalt ist, den ich verantworte. Da wird sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen viel Energie und Zeit reinfließen, um das dem Rat vorzustellen, was uns die Möglichkeit gibt, tatsächlich in den nächsten Jahren die notwendigen Investitionen zu stemmen.

Sie sind ja als Oberbürgermeister nicht nur Repräsentant der Stadt, sondern auch Chef der Stadtverwaltung mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie wollen Sie sich diesen Menschen gegenüber präsentieren?

Das Interview fand noch im Übergangsbüro statt. (Foto: Thomas Hölscher)
Das Interview fand noch im Übergangsbüro statt. (Foto: Thomas Hölscher)

Ich bin ja jetzt auch schon Chef von über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ab irgendeiner Zahl ist es glaube ich auch egal, ob es dann 800 oder 1.000 oder 5.000 sind, weil der direkte Kontakt nicht mehr funktioniert. Von daher ist es schon mein Ziel an vielen Stellen, soweit es möglich ist, das was ich bisher in meinen Tätigkeiten gemacht habe und bei dem ich von vielen Menschen die Rückmeldung bekommen habe, dass es so funktioniert, fortzuführen. Also Verantwortung in die Bereiche zu geben, damit dort Entscheidungen gefällt werden können.

Ich möchte vor allen Dingen ein Chef sein, der sowohl Rückmeldung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, wenn etwas gut läuft, aber auch wenn etwas nicht gut läuft. Gleichzeitig auch offen zu sein für Kritik.
Ich weiß, dass ich, nur weil ich jetzt gewählt bin, nicht auf einmal der beste Chef und der Alleswisser bin, sondern darauf angewiesen bin, dass Leute mir sagen: Das war jetzt irgendwie ein bisschen schräg.
Was mir als Chef auch wichtig ist, dass die Verwaltung gut funktioniert für die Menschen hier in der Stadt und dass wir alle hier ganz viel Zeit unseres Lebens verbringen und dass das dann auch menschlich sein und Spaß machen muss.

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