Kindesmissbrauch: „Abscheulicher Dreck“ Ermittler decken auch Fälle in Münster auf / Terabytes an Kinderpornos sichergestellt

In dieser Gartenlaube in Kinderhaus wurden Kinder missbraucht. (Foto: Polizei Münster)
In dieser Gartenlaube in Kinderhaus wurden Kinder missbraucht. (Foto: Polizei Münster)

Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln seit einigen Wochen wegen des Verdachts von schwerem sexuellen Kindesmissbrauch von Kindern gegen elf Beschuldigte aus NRW, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg, sieben von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Darunter sind auch ein 27-jähriger Mann aus Münster und seine Mutter. Am Mittag informierten die Ermittler im Rahmen einer Pressekonferenz.

„Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen – und weit darüber hinaus“, betonte Polizeipräsident Rainer Furth. Hunderte Terabytes haben die Beamten bislang ausgewertet, von diesem „abscheulichen Dreck“. Zu wissen, dass man bei solchen Taten oft nur die Spitze des Eisbergs sieht, mache die ganze Arbeit zu einer Herkules-Aufgabe, so Furth weiter. Im Fokus stehen sechs Männer und eine Frau, die sich in Untersuchungshaft befinden. Es handelt sich um den 27-jährigen Hauptbeschuldigten aus Münster und seine 45 Jahre alte Mutter, einen 30-Jährigen aus Staufenberg, einen 35 Jahre alten Mann aus Hannover, einen 42-Jährigen aus Schorfheide, einen 43-jährigen Kasseler, sowie einen 41-jährigen Mann aus Köln. Die Ermittler konnten drei Jungen im Alter von 5, 10 und 12 Jahren als Opfer identifizieren. Bei dem jüngsten Kind handelt es sich um den Sohn des Staufenbergers, bei dem 10-Jährigen um den Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners, der 12 Jahre alte Junge ist der Neffe des Kasselers.

Das 10-jährige Kind aus Münster sei „Opfer zahlreicher schwerer Missbrauchshandlungen geworden“, so Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt, begangen beim Lebensgefährten der eigenen Mutter. Im Haftbefehl werden dem Münsteraner bislang 15 Taten vorgeworfen, die er zwischen November 2018 und Mai 2020 verübt haben soll. Ferner habe er die Übergriffe gefilmt und fotografiert und das Material dann im Darknet angeboten. Die Taten seien unter anderem in einer Gartenlaube in Kinderhaus verübt worden. Hier wurden nach Auskunft der Staatsanwaltschaft in einer Tatnacht im April an dem 10-Jährigen und 5-Jährigen von mindestens vier der Beschuldigten „unzählige Male verschiedenste Missbrauchshandlungen über Stunden vorgenommen.“ Der Mutter des münsterschen Hauptbeschuldigten wird Beihilfe vorgeworfen. Ihr gehört die Gartenlaube, er soll ihrem Sohn den Schlüssel zur Verfügung gestellt haben – „mit dem Wissen, was dort passieren wird“, so Botzenhardt weiter. Der 27-Jährige ist strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten. So wurde er 2016 und 2017 wegen Besitz und Zugänglichmachen kinderpornografischer Schriften im Internet zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Auflage einer Therapie ist er nachgekommen.

"Es handelt sich um akribische Ermittlungsarbeit“, erklärt Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. (Foto: Thomas Hölscher)
„Es handelt sich um akribische Ermittlungsarbeit“, erklärt Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. (Foto: Thomas Hölscher)

Ausgangspunkt war nach Angaben der Polizei ein Ermittlungsverfahren aus 2018. Hier hatte ein Unbekannter Dateien mit kinderpornografischem Inhalt angeboten. Im Rahmen der Ermittlungen konnte im April 2019 ein Anfangsverdacht gegen den beschuldigten Münsteraner begründet werden. Über eine IP-Adresse führte die Spur zu einer Firma im Kreis Coesfeld, in der der Beschuldigte im IT-Bereich tätig war. Am 7. Mai 2019 durchsuchten Polizisten die Wohnung des Mannes. Hier konnten umfangreiche Mengen an Datenträgern sichergestellt werden, die ebenfalls hochprofessionell verschlüsselt waren und zum Teil noch sind.

Nach Entschlüsselungsversuchen gelang es am 12. Mai 2020, einen der sichergestellten Laptops zu dechiffrieren. Auf der Festplatte fanden sich zahlreiche Dateien mit Missbrauchshandlungen an dem zehnjährigen Jungen aus dem häuslichen Umfeld des Beschuldigten. Bei der Durchsuchung der Gartenlaube in Kinderhaus Mitte Mai fanden die Ermittler eine vom Beschuldigten aus Münster gelöschte Festplatte. Die Daten konnten durch Experten wiederhergestellt werden. Hier wurde ein Video entdeckt, auf dem sexuelle Handlungen an den beiden Kindern zu sehen sind, die durch den Münsteraner sowie die am 5. Juni 2020 in Untersuchungshaft genommenen männlichen Beschuldigten begangen wurden. Im Rahmen der am 4. Juni 2020 eingeleiteten Fahndung konnten die Tatverdächtigen noch am selben Abend festgenommen werden. Das 5-jährige Opfer wurde in Obhut des zuständigen Jugendamtes gegeben.

Der 43 Jahre alte Mann aus Kassel steht im Verdacht, seinen 12-jährigen Neffen missbraucht zu haben. Das haben erste Auswertungsergebnisse des sichergestellten Datenmaterials des beschuldigten Münsteraners ergeben. Durch weitere Ermittlungen unmittelbar nach der Festnahme des Mannes aus Kassel ergaben sich Hinweise, dass der nur wenige Stunden später in Köln Festgenommene nach vorherigen Internetkontakten mit dem Münsteraner das 10-jährige Opfer aus Münster missbraucht haben soll. Diesen Vorwurf hat der Beschuldigte nach der Festnahme eingeräumt.

In diesem Serverraum, der mutmaßlich von dem Hauptbeschuldigten aus Münster betrieben wurde, lagerten Terabytes mit kinderpornografischem Inhalt. (Foto: Polizei Münster)
In diesem Serverraum, der mutmaßlich von dem Hauptbeschuldigten aus Münster betrieben wurde, lagerten Terabytes mit kinderpornografischem Inhalt. (Foto: Polizei Münster)

Oberbürgermeister Markus Lewe zeigte sich am Nachmittag tief betroffen. „Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war. Stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt möchte ich mein tiefes Mitgefühl für die Kinder ausdrücken. Unsere Aufmerksamkeit und unsere Gedanken sind bei den Kindern, die nun in sicheren Einrichtungen sind und dort umfassende professionelle Hilfe bekommen.“ Der Fall zeige in erschreckender Weise, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Brutalität der Täter viel größere Dimensionen habe, als noch vor wenigen Jahren allgemein bekannt gewesen ist. Lewe appellierte: „Seien Sie wachsam. Sprechen Sie Auffälligkeiten offen an und melden Sie sich mit ihrem Verdacht lieber zu früh als zu spät bei den Behörden.“ Das Ermittlungsverfahren laufe erst seit dreieinhalb Wochen, ergänzte Oberstaatsanwalt Botzenhardt, man stehe daher noch am Anfang. Es handele sich um „akribische Ermittlungsarbeit“.

Hinweis:

Du hast in deiner Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch erlebt? Du bist aktuell davon betroffen oder kennst jemanden, der Hilfe benötigt? Dann findest du Informationen über Beratungsangebote und weitere Hilfen unter https://www.hilfeportal-missbrauch.de und beim "Hilfetelefon Sexueller Missbrauch" unter 0800-22 55 530 (kostenfrei und anonym)

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