Gefährliche Sticker Aufkleber mit versteckten Rasierklingen besser nicht selber entfernen!

Dieser Aufkleber nervt nur, andere können gefährlich werden. (Foto: Michael Bührke)
Dieser Aufkleber nervt nur, andere können gefährlich werden. (Foto: Michael Bührke)

Sticker überall, auf Laternenpfählen, Schildern, Automaten und anderswo. Mal geht es um Fußball, mal um Kneipen und immer wieder um Politik. An manchen Orten gehören sie einfach dazu, an anderen nerven sie und manchmal werden sie sogar gefährlich. Seit einigen Jahren tauchen immer wieder Aufkleber auf, die unsichtbar mit Rasierklingen versehen werden. Offenbar sollen Versuche, die Aufkleber zu entfernen, auf diese Weise zu schmerzhaften Verletzungen führen.

Die zumindest aus lokaler Sicht gute Nachricht vorweg: In Münster sind Aufkleber, die auf der Klebeseite mit Rasierklingen versehen wurden, offenbar bislang noch nicht aufgetaucht, „Der Polizei liegen keine Erkenntnisse bezogen auf die letzten fünf Jahre vor“, wie Konstanze Heine von der Pressestelle der hiesigen Polizei bestätigt. Bundesweit einer der ersten Fälle dürfte 2014 im Umfeld des Ruhrderbys von FC Schalke 04 und Borussia Dortmund aufgetreten sein, als schalkefeindliche Aufkleber in Dortmund mit Rasierklingen versehen wurden. Seither kam es immer wieder zu solchen Vorfällen, wobei die Aufkleber seltener aus dem Fußball- und wesentlich häufiger aus dem rechten politischen Lager stammen.

Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ beobachtet solche Vorfälle mit Sorge: „Kürzlich haben mutmaßlich junge Neonazis in Dortmund-Hombruch Aufkleber mit Rasierklingen versehen, das Thema ist leider immer noch aktuell. Es geht den Rechten darum, Angst zu verbreiten und Andersdenkende zu verletzen. Zudem wollen sie so verhindern, dass ihre rechte Hetze schnell wieder entsorgt wird. Es geht zudem darum den öffentlichen Raum mit eigenen Inhalten zu fluten und extrem rechte Parolen zu normalisieren.“ Besonders perfide: Die von Peters genannten Aufkleber wurden im Bereich eines Schulhofs aufgeklebt, sodass insbesondere Kinder und Jugendliche gefährdet wurden.

Skaters Palace: An Orten wie diesen gehören Sticker dazu. (Foto: Michael Bührke)
Skaters Palace: An Orten wie diesen gehören Sticker dazu. (Foto: Michael Bührke)

Wehrmachtsverherrlichung, Islamfeindlichkeit, Impfgegnerparolen, Abschiebefantasien, Antisemitismus – die Inhalte der Sticker, hinter denen bislang Rasierklingen gefunden wurden, decken praktisch das gesamte rechte Gedankenspektrum ab, oft wird die gesichert rechtsextremistische Bestrebung „Identitäre Bewegung“ mit den Inhalten in Verbindung gebracht. Im vergangenen Jahr wurde außerdem im sächsischen Kamenz ein Aufkleber mit dem Bild des AfD-Politikers Karsten Hilse entdeckt, auch dieser Sticker war mit Rasierklingen versehen worden. Auch die münstersche Polizei ist diesbezüglich aufmerksam und bittet um Information, falls ein solcher Sticker auftauchen sollte: „Das Phänomen ist bekannt. Die Polizei kann im öffentlichen Raum nicht jeden Sticker ohne konkreten Anlass überprüfen. Sobald jedoch ein verdächtiger Sticker zur Kenntnis gelangt, werden wir die Angelegenheit prüfen, um potenzielle Gefahren abzuwehren und gegebenenfalls strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten“, wie die Polizeisprecherin erklärt.

„Es ist perfide und menschenverachtend. Mit Rasierklingen präparierte Sticker können üble Verletzungen verursachen. Wer so etwas verklebt, zeigt, wessen Geistes Kind er oder sie ist. Passend ist, dass schriftliche Gewalt durch die Stickerparolen verbunden wird mit tätlicher Gewalt. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass rechte Gewalt in immer stärkerem Maße steigt und die Täter*innen sich immer sicherer wähnen. Es ist Teil einer weiteren Brutalisierung neben den bekannten Formen von Gewaltanwendung“, warnt Peters. Immer wieder liegen hierbei Schulhöfe und Spielplätze im Fokus der Täterinnen und Täter. So wurde ein mit Rasierklingen versehener Aufkleber von Impfgegnern in Leipzig auf die Kinderrutsche eines Spielplatzes geklebt. Auch in Münsters Nachbarkreisen Coesfeld und Borken wurden bereits Rasierklingen unter Aufklebern entdeckt.

Kein Kavaliersdelikt

Menschen auf diese Weise zu gefährden, ist kein Kavaliersdelikt: „Ein derartiges Vorgehen, Rasierklingen durch Aufkleber zu verdecken, deutet auf einen Vorsatz bei der Tatbegehung hin. Ob sich dies gegebenenfalls im Strafmaß verschärfend auswirkt, obliegt der Einzelfallentscheidung eines Gerichts. Als Straftatbestand kommt eine versuchte oder vollendete gefährliche Körperverletzung in Betracht“, warnt Polizeioberkommissarin Konstanze Heine. Carsten Peters sieht in dieser Vorgehensweise eine Eskalation des öffentlichen Diskurses: „Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass rechte Gewalt in immer stärkerem Maße steigt und die Täter*innen sich immer sicherer wähnen. Es ist Teil einer weiteren Brutalisierung neben den bekannten Formen von Gewaltanwendung. Diese Taten gerne dokumentieren und zum Beispiel bei Beratungsstellen wie mobim oder BackUp NRW melden. Auch die Information der Öffentlichkeit gehört dazu, um andere darauf hinzuweisen und dafür zu sorgen, dass das Thema nicht beschwiegen wird und Menschen in Gefahr geraten.“

In den Medien findet sich neben zahlreichen Vorfällen aus dem rechten Milieu auch einer, in dem ein AfD-feindlicher Aufkleber mit Rasierklingen präpariert wurde. Ende 2023 tauchte in Lüdenscheid ein solcher Sticker auf, der ein KI-generiertes Bild mit sechs Hundewelpen zeigt, deren Fellzeichnungen die Buchstaben FCK AFD bilden. Ob dieser Aufkleber tatsächlich von AfD-Gegnern stammt, oder ebenfalls von rechten Aktivisten aufgeklebt wurde, um die Gegenseite zu diskreditieren, ist unklar. Das Polizeipräsidium in Hagen ist diesbezüglich mit ihren Ermittlungen noch nicht am Ende: „Unsere Ermittlungen dauern weiter an. Ich kann Ihnen deshalb noch keinen konkreteren, neuen Stand mitteilen“, wie Pressesprecherin Ramona Arnhold auf Anfrage von ALLES MÜNSTER mitteilt.

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