
Auch Kinder erleben eine Welt, in der politische Themen zunehmend an Bedeutung gewinnen, auch im Alltag – Im Kindergarten, in der Schule, zu Hause. Die Eltern stehen dann nicht selten vor der Aufgabe, ihrem Nachwuchs komplizierte Themen erklären zu müssen, zum Beispiel, wie Demokratie funktioniert. Keine ganz einfache Aufgabe, bei der das neue Kinderbuch von Ruprecht Polenz „Wer bestimmt auf unserem Hof?“ kindgerecht und spannend Hilfestellung leistet. Hierbei kommen dem Buch zwei wichtige Aspekte zu Gute, zum einen Polenz‘ große Erfahrung in politischen Themen und zum anderen seine Fähigkeit, die Welt aus der Sicht von Kindern zu beschreiben.

Bauer Günter Schulze-Diekamp hat das Zeitliche gesegnet, bei den Tieren auf seinem Hof hält sich die Trauer allerdings in Grenzen. Der verblichene Landwirt war offenbar ein Despot und die Tiere genießen nun ihre Freiheit. Das Pferd Franz schläft im bäuerlichen Bett, die Zicklein toben über die Wiese, alles scheint in bester Ordnung. Wenn nicht die stärkeren Tiere von ihrer Macht Gebrauch machen würden und die Schwächeren von der Weide oder der Wasserstelle vertreiben würden. Moment, eine Farm mit Tieren, deren neuerlangte Freiheit im Desaster endet? War da nicht was? Genau, George Orwells dystopischer Roman „Farm der Tiere“ aus dem Jahr 1945. Glücklicherweise lebt ein ehemaliger Bewohner der orwellschen Farm in unmittelbarer Nähe des Hofs von Schulze-Diekamp, der Esel Benjamin. Die Freunde Kimmi und Joscha ahnen, dass auf ihrem Bauernhof etwas gewaltig aus dem Ruder zu laufen droht und machen sich auf den Weg, um bei Benjamin um Rat zu fragen.
Der Esel ist allerdings eher der brummelige Typ und hat vor allem überhaupt keine Lust, über seine Zeit auf der Farm der Tiere zu sprechen, zu übel waren seine Erlebnisse unter dem Diktat der Schweine. Kimmi das Zicklein und Joscha der junge Hofhund überreden den alten Esel dann doch noch, Tipps zum Thema friedliches Zusammenleben zu geben und ziehen gemeinsam auf den Hof Schulze-Diekamp. Was in Polenz‘ Buch folgt, ist eine unterhaltsame Einführung in die Fragestellung, wie eine demokratische Gesellschaft funktioniert, wie Macht verteilt und wie sie kontrolliert wird. Und hier wird ausnahmsweise gespoilert: Es geht deutlich harmonischer aus, als bei Orwell. Mit den jugendlichen Hofbewohnern Kimmi und Joscha haben jüngere Leserinnen und Leser zwei sympathische Identifikationsfiguren, die durch die Geschichte führen. Liebevoll illustriert wurde das Buch von der 21-jährigen Designstudentin Sidney von Veh.
Der Autor Ruprecht Polenz ist ein politisches Urgestein. Der 79-Jährige Christdemokrat gilt nach einer erfolgreichen Karriere, in der er unter anderem Generalsekretär der CDU war, heute als einer der erfolgreichsten Politik-Influenzer. Seine Follower kommen dabei nicht nur aus dem konservativen Lager, während der Ampel-Regierung verteidigte er die grüne Politik oft gegen Anfeindungen von rechts, was ihm nicht nur Sympathien eingebracht hat. Seinem Schreibstil ist anzumerken, dass er als Vater von vier Kindern und Großvater von insgesamt zehn Enkelkindern offenbar viel Erfahrung damit hat, Kindern auch komplizierte Zusammenhänge zu erklären. „Wer bestimmt auf unserem Hof?“ kommt weder ideologisch, noch mit dem erhobenen Zeigefinger daher, sondern erzählt spielerisch die Grundgedanken der Demokratie. Ein Buch, das auch Erwachsenen Spaß machen kann.
„Wer bestimmt auf unserem Hof?“ Herausgeber: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG. Juni 2025. 128 Seiten. ISBN: 978-3-64964-972-4. Ab 5 Jahren. 14,00 Euro
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