Celebration Generation Interview mit DJ Westbam

Im Interview mit Maximilian Lenz (Westbam). (Foto: Bastian E.)
Im Interview mit Maximilian Lenz (Westbam). (Foto: Bastian E.)

Münsteraner, DJ Legende, Low Spirit Label Gründervater, Loveparade Urgestein, Mayday Mitbegründer, Produzent, Remixer: „Westbam“ alias Maximilian Lenz ist unbestritten eine absolut interessante Person. Von Anfang an dabei, am längsten im Geschäft, unzählige Produktionen und Remixe gehen auf sein Konto. Diese Bio- und Diskografie riecht nicht nur nach Plattenkiste, sondern nach ‚Max’imalen musikalischem Gesprächsbedarf – und den hatte ich!

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Schön, dich mal wieder in Münster zu treffen, Max. Gibt es eigentlich ein Ritual, wenn du in die Heimat kommst?

Also heute waren wir im Großen Kiepenkerl und haben Töttchen gegessen (westfälische Spezialität aus dem Münsterland., Anm. d. Red.), was ich tatsächlich in meiner Kindheit nie gegessen habe. Das habe ich erst jenseits der 50 entdeckt. Vorher kannte ich das nur als Name, aber jetzt esse ich das immer.

Mit Klaus Jankuhn, einem Schulfreund von dir aus Münster, ging es relativ schnell nach Berlin. William Röttger war ebenfalls mit dabei und ihr habt dort relativ früh (1987) die Plattenfirma Low Spirit gegründet.

Richtig. Anfangs waren das Klaus, William und ich. Dann kam 1989 mein Bruder Fabian dazu (Fabian Lenz alias DJ Dick, Anm. d. Re.) und ab 1991 noch Sandra Molzahn.

Ich fand das extrem früh! Ich meine, du warst gerade mal 22 Jahre alt.

Das stimmt, aber wenn man einen gewissen Plan hat, dann sollte man auch früh anfangen. Ich habe eigentlich schon in Münster das Potenzial des DJ’s entdeckt, dass der DJ der Musiker der Zukunft ist. Da habe ich bereits 1984 einen Text drüber veröffentlicht und das ist, so glaube ich, weltweit das erste Dokument zum Thema. Es gab natürlich vorher schon Leute, die gemixt haben, es gab DJs, die einen Remix gemacht haben. Aber dass der DJ der Popstar, der Künstler ist und daraus eine neue Kultur entsteht, das gab es noch nicht.
Da war ich nicht nur in Deutschland der erste Vertreter, sondern weltweit, der dieses Potenzial entdeckt hat.

Mit der Mayday ging das damals 1991 in der Halle Weißensee in Berlin los, um DT64 (Jugendradio der DDR, Anm. d. Red.) zu retten.

Genau. Es gab so mehrere Anlässe. Wir hatten diese große Halle! Das waren Freunde von uns, die die „Macht der Nacht“ Party gemacht haben. Dann hatten wir im Sommer die Aftershow Party der Loveparade dorthin geholt. Wir haben schnell gesagt: „Das machen wir im Winter nochmal“. Dann kam da noch diese DT64 Sache. Das war der fortschrittlichste Sender damals im Osten und die durften auch immer schon ein bis zwei Platten von uns spielen. Schließlich haben wir dort Marusha hingebracht und der Rest ist Geschichte.

„Ravechannel“ (Insider, Anm. d. Red.) falle ich Westbam ins Wort und Max lacht.

Auf deinem Label habt ihr ja damals schon alle Größen unter Vertrag gehabt. Marusha, RMB, Sharam, Meteor Seven, Hardy Hard und andere.

Richtig, und die Members of Mayday, die waren wir ja selber. Und Mark ’Oh nicht zu vergessen. Er war der Bestverkaufte auf Low Spirit damals. „Tears don’t lie“ war das Stück von ihm, das mir am wenigsten gefiel und da haben wir uns auch so ein bisschen auseinandergelebt. Da habe ich damals zu ihm gesagt: „Du, den Track können wir schon machen. Aber ich glaube, das werden dir die Leute auf Dauer übelnehmen, weil er viel zu kommerziell ist“. Dann meinte er „Max ist jetzt nur neidisch, weil ich der größere Popstar bin“ und dann ging das mit uns auseinander. Aber Tatsache ist: Seine Platte war damals der Hit und hat in der Peakzeit 60.000 Stück am Tag verkauft!

Aber umgekehrt fand ich deinen Westbam-Remix von Mark ’Oh’s „Randy (Never Stop That Feeling)“ gut, den hab ich immer gespielt.

Den mag ich bis heute auch. Mit „Never Stop That Feeling“ habe ich ihn entdeckt und bin damit bis heute glücklich. Tolles Lied! Also wenn ich über diese Ravezeiten nachdenke, gibt mir der Song immer noch dieses Gefühl von damals.

An der Siegessäule in Berlin bei der Loveparade 1999. (Foto: Bastian E.)
An der Siegessäule in Berlin bei der Loveparade 1999. (Foto: Bastian E.)

Lass uns über die Mayday 1997 sprechen, denn die von dir zu dem Anlass produzierte Hymne „Sonic Empire“ wie auch gleichzeitig das Motto der Veranstaltung war, ist bis heute deine erfolgreichste und meistverkaufte Produktion. Du hast aus dem Track jetzt was Neues mit Sido gemacht?

Ganz so ist es nicht. Sido hatte das berühmte Sample aus „Sonic Empire“ benutzt und wollte das von uns lizenziert bekommen. Wir haben uns dann einfach zusammengesetzt und daraus gemeinsam was gemacht mit dem Titel „Medizin“.

Zu deiner Produktion „Oldschool Baby“ zusammen mit Nena würde ich gerne noch was wissen. Das Lied ist jetzt schon zwanzig Jahre alt. Wie kam es dazu? Hattest du die Nummer schon fertig und dir gedacht: „Hey, die Nena passt dazu“?

Das war so eine Live-Sache. Ich hatte damals meinen Track „Hold me back“ von 1990 gesamplet und hatte da meine eigene Stimme und dieses „Oldschool Oldschool, Oldschool“. Da ging es eigentlich so los, dass man sich wieder an die eigenen Techno Roots erinnert. Jetzt war ich in einer Radioshow mit Nena bei Radio Fritz, zusammen mit dem Sänger der Beatsteaks und noch jemandem. Dort hörte ich Nena so reden und hatte meinen Track im Kopf. Da dachte ich mir plötzlich: „Wie cool wäre das, wenn die Nena was zu ‚Oldschool‘ singt“. Ich habe sie dann einfach angesprochen, meine Idee erklärt und ihr gesagt, wie cool ich es fände, wenn sie darauf singt. Viele dachten erst, dass das doch peinlich wäre. Aber es ist eine der coolsten Nummern und bis heute gut.

Heute wird ja fast nur noch digital aufgelegt. Fluch oder Segen?

Ich finde es gut und bin da auch nicht so. Ich habe auch gerne mit Vinyl gespielt. Record Art war ja für mich sozusagen Komponieren immer mit Platten. Aber wenn jetzt Leute, die eigentlich früher immer die ganze Platte gespielt haben, jetzt sagen: „Es muss Vinyl sein“, dann waren sie nie Turntable. Sven Väth ist für mich so ein Beispiel. Der hat immer jede Platte von vorne bis hinten gespielt. Da ist es eigentlich egal, ob du einen Knopf drückst oder Vinyl spielst.

Da du Sven Väth ansprichst, er war dieses Jahr Headliner bei uns auf dem Docklands Festival in Münster.

Okay, interessant.

Ich habe auf deinem Album „Famous Last Songs Vol. 1“ das Stück „Amazing“ gehört und mir ist sofort das Sample von Killing Joke „Love Like Blood“ (1985) aufgefallen.

Oh echt? Das ist eine Nummer, die ich immer toll fand, eine der besten Killing Joke Nummern überhaupt. Die habe ich auch damals im Odeon in Münster gespielt, als sie Anfang der 80er rauskam.

Westbam beim Mysticland 2000 im Cosmic Club. (Foto: Bastian E.)
Westbam beim Mysticland 2000 im Cosmic Club. (Foto: Bastian E.)

Der XMAS BAM, deine legendäre Party zum Jahresende, steht vor der Tür und findet bereits seit 1994 statt. Du hast immer einen hochkarätigen Gast an deiner Seite. Dieses Mal ist DJ Stingray 313, eine DJ-Legende aus Detroit, im Fusion Club mit dabei. Ist das eine DJ Freundschaft oder wie fiel die Wahl auf ihn?

Tatsächlich muss ich zugeben, dass Stingray total an mir vorbeigegangen ist. Ich kenne ihn nicht mal. Ich habe mit Thomas (Thomas Pieper, Geschäftsführer des Fusion Clubs, Anm. d. Red.) gesprochen und er hat ihn mir empfohlen. Ich kenne ja die Detroit Jungs alle, dachte ich bisher, aber ihn tatsächlich nicht (lacht). Aber das finde ich gut, also den Stil der Stadt und was viele nicht wissen: Der erste Detroit DJ, der jemals in Deutschland gespielt hat, war Derrick May. Und der, der ihn geholt hat und damals mit ihm zusammen im UFO (Berliner Club, Anm. d. Red), gespielt hat, war ich. Also damit geht die Geschichte von Detroit und Berlin los. 1989 oder 1990 war das.

Was für ein Set können deine Fans erwarten? Auch alte Tracks?

Also, es wird kein Retro-Set. Das mache ich auch ab und zu, aber viel seltener. Natürlich auch Klassiker. Was ich über die Jahre immer wieder gerne spiele, ist „Free Me“ von Mr. X & Mr. Y. Natürlich könnte man jetzt aus aktuellem Anlass auch „Sonic Empire“ spielen.

Was ist eigentlich auf Spotify los mit den ganzen ehemaligen Künstlern von Low Spirit? Da ist fast nichts online zu finden, selbst dein eigenes Stück „Celebration Generation“ gibt es dort nur auf einer Compilation. Ist das eine Copyright Geschichte, oder woran liegt es?

An vielen Sachen, wie von RMB oder auch Mark ‚Oh, haben wir keine Rechte mehr. Das müssten die selber online stellen. Das, was wirklich bei uns ist und wir selber erschaffen haben, wird jetzt kommen. Also die Sachen von mir, meinem Bruder, Members Of Mayday, Loveparade, Marusha, Hardy Hard und Ravers Nature. Da hatten wir lange Diskussionen, es schwierig. Klaus Jankuhn ist bei dem Sound Perfektionist und es dauert ewig. Aber ich hoffe, dass es innerhalb des nächsten Jahres kommt.

Eine Sache noch zum Schluss, die eine persönliche Erinnerung ist, nämlich an die Loveparade 2000. Du hast in der Arena bei der Lovenation aufgelegt und „Jet“ von Marusha auf Electric Kingdom (Sublabel von Low Spirit, Anm. d. Red.) gespielt, was mich sehr überrascht hat. Die Platte kennt bis heute kaum einer, weil sie auch sehr experimentell ist und keine Bass Drum hat. Die Arena ist komplett ausgerastet bei der Platte, was ich so noch nie erlebt habe!

Also Marusha hat so zwei bis drei Platten, die wirklich toll sind, die kaum Leute kennen und die „Jet“ zählt dazu. Da war ich wahrscheinlich der, der sie am meisten gespielt hat. Ich erinnere mich zum Beispiel, als ich „Jet“ in Los Angeles aufgelegt habe. Da kamen Leute an und meinten „Alter, was ist denn das? Die Nummer ist hammer!“ Auch die Platte „Ultimate Sound“ von Marusha (1998) hätte wirklich ein Hit sein müssen. Eine tolle Produktion.

Max, vielen Dank für das nette Gespräch und einen guten Rutsch.

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