Wunderwelt am Hafenplatz: „Alice on the Run“

Weinend paddelt Alice durch das Meer am Hafenplatz. (Foto: th)
Weinend paddelt Alice durch das Meer am Hafenplatz. (Foto: th)

Da haben sicher schon viele Münsteraner drauf gewartet: endlich präsentiert das Theater Titanick uns wieder ein neues Stück. Mit „Alice on the Run“ ist der Truppe aus Münster und Leipzig wieder gelungen, Action und Spektakel mit einer zauberhaften Geschichte zu verknüpfen. Am Donnerstag findet auf Münsters Hafenplatz die Welturaufführung statt, ALLES MÜNSTER war schon am Dienstag bei einer von zwei Vorpremieren dabei.

Diesmal hat die Freilicht-Theatergruppe um Clair Howells und Uwe Köhler sich einen Kinderbuch-Klassiker vorgenommen, um eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Anders als beim englischen Autor Lewis Carroll, erlebt ihre Alice aber nicht nur absurde Abenteuer im Wunderland oder hinter den Spiegeln. Diese Alice ist auf der Flucht, eben „On the Run“. Dazu wird sie aber nicht durch einen Krieg genötigt, sondern durch einen skrupellosen Kapitalisten, der offenbar ihr Haus gekauft hat, nur um es auseinander zu nehmen. Kaum ist das zu Beginn gezeigte Idyll mit den blümchengeschmückten Fensterbänken zerstört, bleibt Alice nur noch ihre löchrige Badewanne. Darin hockt sie allein, getrennt von ihrem Freund, dem Kaninchen, und paddelt weinend über ein imaginäres Meer. Drumherum stehen alle Zuschauer verteilt und verfolgen nun das weitere Schicksal der beiden Freunde.

Wie kommt Alice wieder aus diesem Gefängnis heraus? Vielleicht hilft die Flasche... (Foto: th)
Wie kommt Alice wieder aus diesem Gefängnis heraus? Vielleicht hilft die Flasche… (Foto: th)

Standfest und beweglich müssen Zuschauer schon sein, bei diesem Stück vom Theater Titanick, bei dem der ganze Hafenplatz als Bühne genutzt wird. Denn Sitzplätze gibt es keine. Und auch keine Gelegenheit, sich mal auf den Boden zu setzen. Denn mal passiert in dieser Ecke etwas, mal in jener. Und manchmal werden kleine Bühnen quer durch die Menge gezogen. Da muss man schon mal Platz machen, wegrücken, selbst kurz flüchten, und dabei aufpassen, keine anderen Zuschauer beim Zurückweichen anzurempeln. Auch so kommt gelegentlich eine Schicksalsgemeinschaft mit Alice zustande.

Das Idyll bleibt Alice und ihrem Freund, dem Kaninchen, nicht lange erhalten. (Foto: th)
Das Idyll bleibt Alice und ihrem Freund, dem Kaninchen, nicht lange erhalten. (Foto: th)

Es gibt noch viele weitere Abenteuer zu erleben auf dieser Flucht, die wir hier gar nicht alle verraten wollen. Immer wieder tauchen dabei Elemente auf, die aus der Original-Geschichte von Lewis Carroll bekannt sind: ein Getränk, das Alice schrumpfen lässt, das Kaninchen als Freund, die rote und die weiße Königin, das Schachspiel und sogar der Missbrauch von Flamingos als Schläger – hier aber nicht für ein Croquet-Spiel, sondern für eine Partie Golf in einem mondänen Beach-Club.

Alice bewegt sich auf ihrer Flucht aber nicht nur durch eine fantastische Wunderwelt, sondern auch durch allerhand Anspielungen auf unsere heutige Realität – natürlich auf die ganz eigene Art dargestellt, wie sie typisch ist für das Theater Titanick. Hier wächst Alice nicht einfach nur durch Knabbern am verzauberten Essen, hier wird sie mit riesigen Burgern an einer Angel geködert – und wird plötzlich ziemlich fett. Das Polster wird sie dann in einer rotierenden Fitnessbude los. In einer anderen Szene läuft sie einen Marathon durch einen stetig wachsenden Behörden-Dschungel, der deutlich von Franz Kafka inspiriert ist.

Noch ist es ein Schachspiel, aber bald ein Krieg. (Foto: th)
Noch ist es ein Schachspiel, aber bald ein Krieg. (Foto: th)

Das Finale ist ein groß inszeniertes Schachspiel, das in einen Krieg ausartet. Da kommt dann auch die Pyrotechnik zum Einsatz, die irgendwie zu jedem Stück vom Theater Titanick dazu gehört. Regisseur Uwe Köhler hatte zu Beginn schon alle möglicherweise empfindlichen Zuschauer gewarnt, dass es dadurch zu „Lautstärke-Erhöhungen“ kommen kann. Weniger laut war die immer wieder erstaunlich gut passende Musik aus allen erdenklichen Genres, von Electro-Spielarten wie Techno oder Drum’n’Bass bis Oper, von Film-Musik – inklusive Kitsch und Bombast – bis Jazz.

Nach gut 75 Minuten ist der Spuk vorbei und die Köpfe der Zuschauer voll mit erstaunlichen Bildern. Es ist wirklich „hautnahes Erlebnistheater für Menschen mit offenen Augen und Herzen“, wie es auf der Homepage der Truppe heißt. Zu sehen ist es bis zum  20. Mai, jeweils ab 21:30 Uhr. Karten gibt es beim WN-Ticketshop, bei der Münster Information, online oder jeweils ab 20:00 Uhr an der Abendkasse am Hafenplatz.

Mehr zum Thema: www.titanick.de | Facebook

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