Stephanie Thiersch lässt das Pumpenhaus vibrieren

(Foto: Martin Rottenkolber)
(Foto: Martin Rottenkolber)

Am Anfang hatten elf Tänzer noch eine pyramidale Struktur, sie standen, saßen, hockten, zum Teil auf eine fahrbaren Miniaturbühne. Am Ende herrschte das Chaos, wirre Notenblätter kratzender, kreischender Musik segelten durch das Pumpenhaus an der Gartenstraße. Dazwischen zeigten am Freitag- und Samstag Abend vier Streicher an Violinen, Viola und Cello, Tänzer und Dj Elephant Power 75 Minuten lang ein gewaltiges, lebendiges Tanzspektakel der Choreografin Stephanie Thiersch. „Bronze by Gold“ nennt Thiersch das Stück, das so viel Vitalität entfaltet, dass man beinahe an den Urknall denkt.

Die Streicher stehen meist auf der kleinen Bühne, bieten Beethoven und Márton Illés dar, doch die Bühne ist nicht statisch, wird auch mal voll beladen von einer Tänzerin gezogen. Das geht natürlich nur langsam, und auf der Fahrt verliert sie immer mehr Tänzer, die geschmeidig herabgleiten, ähnlich wie ein Ballon, der zunehmend Ballast verliert. Und schon gewinnt alles Dynamik, rollen, robben, springen die Tänzer über die Bühne. Dj Elephant Power greift zu den Turntables und gibt die Geschwindigkeit vor.

Anmut, Körperbeherrschung, Geschwindigkeit, natürlich auch Erotik – das alles ist so komprimiert. Fast ist der gemeine Zuschauer überfordert all das wahrzunehmen, was auf der großen Bühne geschieht. Die Violinspieler imitieren das Geräusch eines Spielzeugautos, das, um fahren zu können, einige Male schnell über den Boden geschoben wird. In ihre Mitte haben sie einen Tänzer geklemmt, der immer wieder einige Schritte anläuft, schließlich losgelassen wird und einen gewaltigen Satz macht.

Daneben, parallel, davor, dahinter menschlich, allzu menschliches: Eifersucht, Begierde, Lust – tänzerisch umgesetzt. Wie aus dem nichts bilden sich Menschenketten, auf dem Boden liegend und über dem Abgrund schwebend, Tänzer fallen und reißen im Dominoeffekt andere mit, unkontrolliertes Zucken wie bei einem epileptischen Anfall. Aber nein, das ist keine Epilepsie, es folgt der Musik und den Naturgewalten, symbolisch dargestellt durch Blitze. Das alles sieht so leicht aus. Doch wenn der Dj keinen Saft auf seinen Bässen hat und die Streicher ihre Bögen ruhen lassen, hört man die Tänzer atmen und keuchen und ahnt: das ist schwere Arbeit. Gleichzeitig scheinen Unmengen an Endorphinen ausgeschüttet zu werden und man merkt auch: das ist Lust. Langanhaltender Applaus für grandioses Tanztheater.

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