„Man wacht nach 49 Jahren auf und ist auf einmal 50!“

Christoph Aschenbrenner mit Tee im Cafe Colibri. (Foto: ka)
Christoph Aschenbrenner mit Tee im Cafe Colibri. (Foto: ka)

Auf einen Tee mit dem Münsteraner Autor Christoph Aschenbrenner.

Ich treffe Christoph im Café Colibri in der Stadtbücherei. Es ist ein heller, freundlicher Raum mit viel Glas. Draußen scheint die Sonne. Drinnen ist es gut gefüllt, aber nicht übermäßig voll. Die Stadtbücherei mit ihren abertausenden Büchern ist im gleichen Gebäude untergebracht und nur wenige Meter entfernt. Ich bestelle einen Cappuccino, er einen schwarzen Tee.

*****

Trinkst Du immer Tee?

Ich trinke Darjeeling-Tee, weil ich Tee lieber mag als Kaffee. Tee dehnt die Zeit.

Du hast dieses Café für ein Treffen vorgeschlagen. Was magst Du an diesem Ort?

Die großen Fenster, das Kommen und Gehen und die paar Schritte zur Bibliothek. Außerdem fanden hier einige Treffen mit meiner Lektorin vom sonderpunkt Verlag statt.

Wo trifft man Dich sonst noch?

Im Spooky’s an der Hammer Straße. Dort trinke ich am liebsten Cola.

Trinkst Du gar keinen Alkohol?

Nein, gar keinen.

Kommst Du gebürtig aus Münster?

Nein. In bin in einer Arbeiterstadt geboren und aufgewachsen, in Krefeld. Mein Opa war ein Arbeiter, genauso mein Vater und auch ich habe zuerst Maschinen in einer Fabrik zusammen gebaut. Aber ich kam dort von der Frage nicht los, ob das alles sein kann. In Münster konnte ich mich entfalten. Menschlich und literarisch.

Das heißt, Schreiben ist für Dich …

eine über 30 Jahre andauernde Erfahrung. Etwas, was bei mir funktioniert, immer weiter entwickelt wird und einfach Spaß macht. Oder, wie jemand sagte: „Einfach sein Ding.“

40 Seiten kurz ist dein neuestes Werk, es ist schnell heruntergelesen. Analog zu Fast Food Fast Literature für die Wegwerfgesellschaft?

Nein, eher im Gegenteil: Ich beobachte, genau wie Du eine Informationsüberflutung vieler Menschen und, damit einhergehend, die rasante Erhöhung der Erreichbarkeit. Früher gab es Telegramme, die aufgrund der Kosten in einem heute merkwürdig scheinenden Stil verfasst wurden. Nimm die SMS: Die hatte nur 160 Zeichen. Sie abzuschicken war einst teuer. Heute kann mir jeder über WhatsApp ein Video schicken, das ich vermutlich gar nicht haben will. Ich bin der Meinung, dass es wieder darauf ankommt, in kurzer Zeit klare Aussagen und authentische Gefühle zu transportieren.

So ganz klar wird mir die Essenz Deines Buches aber nicht, denn ich glaube, Du behandelst darin auf sehr anschauliche Weise eine Reihe abstrakter Themen. Ich finde, es geht vor allem um den Sinn des Lebens. Damit packst Du ganz schön viel Philosophisches auf die 40 Seiten …

Schon als Zwanzigjähriger habe ich mir die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt, aber eine Antwort habe ich immer noch nicht. Wenn, wie Du sagst, meine 40 Seiten viel Philosophie enthalten, dann habe ich mein Ziel, in der Kürze viele Inhalte zu vermitteln, erreicht.

Warum heißt Dein Buch „Urbanicity“? Was hat es mit dem Kunstwort auf sich?

Das Buch handelt von der Stadt. Es lag nahe, den Titel aus den Wörtern „Urban“ und „City“ zusammen zu setzen. Während ich das Manuskript schrieb, hörte ich wie immer beim Schreiben Musik. Auch den Song „Synchronicity“ von The Police. Irgendwann hat es dann klick gemacht.

Nach drei Büchern mit Kurztexten hast Du nun zum ersten Mal etwas längeres veröffentlicht, aber auch das teilt sich wieder in viele Fragmente. Warum stehst Du so auf dieses Fragmentarische?

Beim Lesen des Klassikers „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Thomas Mann hatte ich eine Offenbarung. Die Sätze von Mann waren hochverschachtelt. Da habe ich mir gedacht, das muss doch auch anders gehen, klarer, direkter.

Was hat sich denn seit Thomas Mann geändert – bei Dir und in der Gesellschaft?

Wir leben heute anders. Wir können einfach durch die Fernsehkanäle zappen: Kommissar fragt Zeugin, im Hintergrund Aktenordner. Deutscher Krimi. Umschalten. Hochgeschwindigkeitsverfolgungsjagd mit Schusswechsel. Amerikanischer Krimi. Umschalten. Brodelndes Wasser in Topf. Kochshow. Umschalten. Mann mit Krawatte vor Weltkarte. Nachrichten. Und so weiter.

"Urbanicity" heisst das Buch des Münsteraner Autors Christoph Aschenbrenner. (Foto: ka)
„Urbanicity“ heisst das Buch des Münsteraner Autors Christoph Aschenbrenner. (Foto: ka)

Das klingt, als möchtest Du mit Deiner Literatur ein wenig die Gesellschaft spiegeln. Und nicht nur die Gesellschaft, oder? Genau wie Dein Protagonist bist Du vor einiger Zeit 50 Jahre alt geworden.Wie viel Christoph Aschenbrenner steckt im Protagonisten von Urbanicity?

Leser, die mich persönlich kennen, sagen schon mal: „Das bist doch du!“ Ich versuche ja, anhand einer speziellen Person etwas zu zeigen, was viele vermutlich kennen. Ob ich selbst diese spezielle Person bin, spielt keine Rolle.

Was macht die Zeit um 50 so besonders? Viele würden vermutlich stattdessen ihre Jugend als besondere, beste Zeit verkaufen …

Natürlich habe ich noch alle Heldentaten meiner Jugend im Kopf. Die nützen mir im hier und jetzt nur leider nichts mehr. Ich bin jetzt in einem Alter, das ich früher immer nur verbohrten Spießern zugerechnet habe. Es ist halt erschreckend. Man wacht nach 49 Jahren auf und ist auf einmal 50!

Du beschreibst in Urbanicity sehr eindringlich den ewigen Kreislauf des Lebens, der nirgendwo anfängt und scheinbar nirgendwohin führt. Der Typ auf dem Cover, der Dir vermutlich auch nur zufällig ähnlich sieht, guckt auch nicht gerade begeistert. Leser klassischer Geschichten mit Anfang, Hauptteil, Schluss, so wie wir das in der Schule gelernt haben, könnten sich fragen, was das denn soll …

Ich habe tatsächlich versucht, Kreisläufe in die Handlung einzubinden, die nicht immer negativ besetzt sein müssen. Dagegen ist der Kalender der Kapitelüberschriften absolut chronologisch. Hat man das Buch einmal von vorne bis hinten gelesen und es fehlt jemanden ein Anfang und ein Ende, wäre es denkbar, selbst eine andere Reihenfolge zusammen zu stellen.

Literatur zum Selberbauen?

Wäre ein guter Gag. Kunst besteht doch darin, frei etwas erschaffen zu können und frei darin zu sein, wie man es aufnimmt.

… womit wir wieder bei der Philosophie wären …

Schon wieder ein Kreis! (lacht)

Apropos Kreis: Sollen wir noch etwas trinken?

Ein Tee geht immer! Du weißt ja, er dehnt die Zeit.

 

Verlosung

Christoph Aschenbrenner hat uns ein Exemplar seines Buchs „Urbanicity“ dagelassen. Um es zu gewinnen, füllt einfach unser Gewinnspielformular aus (Stichwort „Urbanicity“) und hofft darauf, dass unsere Glücksfee euren Namen zieht. Beachtet unsere Gewinnspielbedingungen. Das Gewinnspiel beginnt sofort und endet am Sonntag (16.7.17) um 18:00 Uhr.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert