Jochen Malmsheimer: Ich bin kein Tag für eine Nacht oder: Ein Abend in Holz

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Jochen Malmsheimer führt die Eintönigkeit einiger Geschlechtsgenossen ganz klar ad absurdum. (Foto: sg)

Wenn man selber etwas zu sagen hat, und das auch noch in wohlgeformte Sätze zu verpacken weiß, dann kann es schwer sein, die Logorrhoe seiner Mitmenschen ertragen zu müssen. Dabei kann sich an diesem Abend in der vollen Aula am Aasee keiner so sicher sein, ob er vielleicht nicht selbst gemeint ist? „Sie müssen jetzt nicht immer klatschen, wenn Sie etwas verstanden haben“, ätzt Jochen Malmsheimer. Er spart keinen aus, auch sich nicht – denn um Geld zu verdienen, muss ein Kabarettist auch Dinge tun, die er vielleicht nicht so toll findet, beispielsweise auf Galas gehen. – Sie meinen, es gibt Schlimmeres als auf glamourösen Abendveranstaltungen aufzutreten? In der Tat, nämlich wenn sich hinter „Galas“ Abende des „Garten- und Landschaftsverbandes“ verbergen, auf denen die Dachdeckerinnung vertreten ist. Das Publikum weiß nur zu gut, welchen Menschenschlag Malmsheimer beschreibt und schüttet sich aus vor Lachen.

Allzu schlichte Gemüter, die mit gepflegter Einsilbigkeit konstante Plattitüden heraushauen, mag der eloquente, wortgewandte Ex-Buchhändler so gar nicht. Und da ist es egal, ob es sich um Handwerker, die Stammgäste (die bereits mit dem Mobiliar bestellt werden könnten) der Kneipe um die Ecke oder um Fernsehköche handelt. Wenn Sätze mit „Pass auf …“ eingeleitet und mit „kein Thema“ beendet würden, sei der Fall auch schon klar. Überall wird geredet, aber selten etwas ausgesagt. Und das wird dann auch gnadenlos von Malmsheimer in einer eigens von ihm kreierten Radiokochsendung zelebriert: Jeder Dödel meint heutzutage etwas zu sagen zu haben, meint kochen zu können – bitte. Dann auch er. Seit 5.45 Uhr wird in einer eigenen Radio-Koch-Show zurückgesendet! Haute cuisine beim Kochen mit Jochen: Salzkartoffeln. Geschält. In Wasser. Welches zum Kochen gebracht wird. Wer da vor Ehrfurcht nicht erblasst, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Aber mal ehrlich: diese ganzen Kochsendungen könnten doch nur unbefriedigend bleiben, werde doch schließlich kein Duft über den Äther vermittelt.

Bissige Beobachtungen zum Kommunikationsverhalten geschlechtsreifer Mitmenschen

Sport ist Mord – so die Devise des Kabarettisten Jochen Malmsheimer. (Foto: sg)
Sport ist Mord – so die Devise des Kabarettisten Jochen Malmsheimer. (Foto: sg)

Auch im zweiten Teil seines Programms widmet er sich der Sprache, die ja besonders „im Ruhrgebiet einer beständigen Erosion“ unterliege und bringt gern geäußerte Klischees wie „Männer sprechen fließend ja nur in Baumärkten!“ und das Innenleben eines Pubertierenden, genannt Sascha. Wer Ottos Sketch über die Abläufe im Hirn eines menschlichen Körpers kennt, hat eine leise Ahnung, was Jochen Malmsheimer nun auf der Bühne inszeniert; mit drei Mikrophonen stellt er unterschiedliche Bereiche des Körperinneren versus zeitgleicher äußerer Realität dar: Wie ein Jugendlicher in einer Diskothek, bereits alkoholisiert und des klaren Denkens geschweige denn Sprechens eigentlich unfähig es dennoch schafft, sich mit einem paarungswilligen Mädchen zu verständigen. Dies macht Malmsheimer wie auch in den Stücken zuvor mit einer begnadeten Mischung aus Stimmgewalt und Wortschatz – da werden Fachtermini dazu genutzt, Bilder im Kopf des Publikums entstehen zu lassen, die unübertroffen witzig sind, etwa, wenn das Adrenalin-Atom mal eben in sein Pausen-Schwefel-Atom beißen will, als ein Notfall eintritt und der gesamte Körper in Alarmbereitschaft versetzt werden muss.

Bei ausführlicheren Stücken wie diesem liest Malmsheimer aus einem Buch, dass er aber auch mühelos improvisieren kann, beweist er seinem Publikum in der Zugabe, als ein Zuschauer sich in einer Sprechpause geräuschvoll die Nase putzt – da wird minutenlang humorvoll über das Timing philosophiert: „Einfach mal die Möbel rausschmeißen“ ist noch das harmloseste Bild, was dem Naseputzenden postwendend um die Ohren gehauen wird. Aber eigentlicher Anlass seiner erneuten Bühnenpräsenz nach tosendem Applaus war ja das Extra, was sich das Publikum verdient hat, denn – so der Meister: „Ich bin mit Ihnen zufrieden.“ Und nutzt ein letztes Mal die Gelegenheit, seine Meinung loszuwerden. Als erklärter Sportgegner spielen ihm absurde Sportarten wie beispielsweise das Curling, bei dem „Bügeleisen auf eine gebohnerte Bahn geschleudert“ würden in die Hände, aber auch wieder einige Vertreter diverser Sportarten, die sich durch ihr schlichtes Gemüt auszeichneten. Und so schließt sich der Kreislauf wieder.

 

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