Grimmepreis für Adolf Hitler: „Er ist wieder da“-Premiere im Borchert

Premiere von "Er ist wieder da" im Borchert. (Foto: Klaus Lefebvre)
Premiere von „Er ist wieder da“ im Borchert. (Foto: Klaus Lefebvre)

Als Timur Vermes 2012 den Roman „Er ist wieder da“ veröffentlichte, war den meisten Bundesbürgern Bernd Höcke noch nicht bekannt, die AFD wurde gar erst 2013 gegründet. Und der peinliche Auftritt des thüringischen Vorsitzenden bei Günther Jauch, als Höcke tatsächlich eine deutsche Fahne über die Sessellehne hängte, datiert noch später. All diese Facetten hat die Regisseurin Kathrin Sievers in die Bühnenfassung von „Er ist wieder da“ eingebaut. Das Borchert-Theater feierte damit am Donnerstag eine gelungene Premiere.

Im Bühnenhintergrund wird auf einer großen Leinwand Berlin gezeigt, Alexanderplatz. Im Hellen, im Dunkeln, beleuchtet. Adolf Hitler, großartig gespielt von Thomas Karl Hagen, wacht im Berlin des 21.Jahrhunderts auf, öffentlich auf einem Platz, neugierig beäugt von ein paar Jungs, die von der Leinwand auf die Bühne gucken. Hitler ruft zunächst irritiert nach Reichsminister Martin Bormann, doch niemand antwortet. Wie Hitler dahin kommt, mitten in Berlin? Die Frage wird nicht gestellt, aber darum geht es auch nicht.

Wie reagiert unser ach so aufgeklärtes Deutschland mit all seiner medialen Omnipräsenz auf den „größten Feldherrn aller Zeiten“, quasi vis-a-vis? Und wie nutzt Adolf Hitler die Medien für seine Zwecke? Ein Kioskbesitzer (in dieser und weiteren kleineren Rollen sehr überzeugend Jürgen Lorenzen) erkennt in Adolf Hitler eine Kunstfigur, die so täuschend echt ist, dass er sie dringend ein paar Filmleuten vorstellen muss. Natürlich wundern sich alle, dass Hitler nie aus seiner Rolle tritt, doch dieses Wundern tritt schnell zurück hinter steigende Einschaltquoten. Diese ungeheure Authentizität – wow.

Thomas Karl Hagen in seiner Rolle als Adolf Hitler. (Foto: Klaus Lefebvre)
Thomas Karl Hagen in seiner Rolle als Adolf Hitler. (Foto: Klaus Lefebvre)

Völkische, rassistische, antisemitische Tiraden – und alle finden das witzig. Selbst das Publikum im Theater muss immer wieder lachen, weil – so bizarr die Geschichte ist – eine gewisse Komik ist nicht zu leugnen. Die Fernsehleute zitieren aus dem Feuilleton der Süddeutschen und der FAZ. Ein schöner Seitenhieb, weil die mit unsinnigen Fremdworten überfrachteten Rezensionen völlig unverständlich sind. Schließlich wird Hitler sogar der Grimmepreis verliehen. Doch dann hält das Auditorium urplözlich inne. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Sobald es um Juden geht, tragen Deutsche eine gonosomale Erbschuld.

Überzeugend waren alle Schauspieler, ein Extralob hat sich Monika Hess-Zanger in der Rolle der Renate Künast verdient.  Sie trug – natürlich – ein grünes Jackett, wirkte aber ansonsten ebenso farblos wie die echte Renate Künast. Insgesamt sicher eine mutige und textnahe Inszenierung, die zwar nicht für frenetischen Jubel gesorgt hat, aber den Nerv der Zeit trifft. Kein Wunder, dass bis zum 06.02.2015 alle Vorstellungen ausverkauft sind.

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