Gregor Gysi in Münster – „Ich esse keine kleinen Kinder“

Gregor Gysi - Nie um eine Antwort verlegen. (Foto: wf/weber)
Gregor Gysi – Nie um eine Antwort verlegen. (Foto: wf/weber)

Bereits kurz vor dem offiziellen Einlass um 19:30 Uhr hatte sich eine beachtliche Schlange vor dem für diese Veranstaltung ausverkauften Bürgerzentrum in Kinderhaus gebildet, um Gregor Gysi in einem Abend mit Dr. Norbert Tiemann von den Westfälischen Nachrichten zu erleben. Gregor Gysi war vorher bereits als Ehrengast auf dem Frühlingsempfang der Linken gewesen und wandte sich nun in einem Gespräch der Vorstellung seines neuen Buches „ Ausstieg links? – Eine Bilanz“ zu.

Das Publikum in Kinderhaus war keinesfalls von linken Alt-68ern dominiert. Vielmehr stellte es eine fast repräsentative Mischung der Bevölkerung dar und ebenso vielfältig waren die Gespräche, die vorher durch den Raum schwirrten – Studium, neue Arbeitsstelle, aber auch Neo-Marxismus und politisches Kabarett.

Gysi präsentierte sich, wie man ihn sonst auch von öffentlichen Auftritten her kennt: Engagiert, seiner  pragmatisch-linken politischen Linie treu bleibend, auf das Publikum abgestimmt eloquent, dominierend und mit sarkastischen oder ironischen Seitenhieben auf Politiker nicht sparend,  sowie dem deutlichen Bekenntnis, weiterhin politisch aktiv sein zu wollen.

Gelenkt durch die Fragen von Tiemann  wurde das Publikum in einer entspannten Atmosphäre durch einen Ausschnitt aus Gysis Familienbiographie, sowie seines beruflichen wie politischen Werdegangs geführt. Themen, die auch sonst gerne von den Medien aufgegriffen werden, wurden natürlich auch hier aufgegriffen – das Reisegesetz, die Zeit in Berlin, Stasi ja oder nein, Kritiker aber nicht Oppositioneller, die Entwicklung der SED nach der Wende und ja, auch der Flughafen Berlin wurde durch eine Zuschauerfrage angesprochen.

(Foto: wf/weber)
(Foto: wf/weber)

Neben all dem Bekannten und vielem, was der Präsentation des Autoren diente, gab es aber auch deutliche politische Aussagen, wie z.B. die Forderung, dass öffentliche Verkehrsmittel ebenso wie Kultur mehr gefördert werden müssten, um wirklich jedem eine Teilhabe zu ermöglichen; dass Briefkastenfirmen an sich nicht nötig seien, da es keinen logisch nachvollziehbaren Grund gäbe, sein Geld dort zu parken, kritisierte Zeitverträge und Leiharbeit und, dass Deutschland nicht kinderfreundlich sei. Gysi genoss seine Position, links der SPD heimisch zu sein, vertrat aber auch die Ansicht, dass die SPD wieder „sozial“ und „demokratisch“ werden, quasi ihre eigene Identität wieder stärken müsse. Für die  CDU und CSU schlug er vor, dass sie sich eigentlich in Oppositionsarbeit üben müssten, um die AfD in den Griff zu bekommen. Eindringlich warnte er immer wieder vor der AfD und den potentiellen politischen Folgen, wies daraufhin, dass der generelle Rechtsruck in Europa Anlass zur Sorge wäre und Europa aus seiner Geschichte lernen müsse.

Nein, als Kinderschreck hatte er sich an diesem Abend nicht präsentiert, vielmehr als reflektierter Demokrat, der das Grundgesetz und das freiheitlich-pluralistische System zu schätzen weiß, mit einem wachen Blick für Entwicklungen innerhalb Deutschlands und Europas.

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