Debatte: Ist das Kunst oder soll das nur stören?

Bei der Podiumsdiskussion "Kunst im öffentlichen Raum" (v.l.): Oliver Keymis Kristina Scepanski, Eva-Maria Jazdzejewski und Kasper König. (Foto: rc)
Bei der Podiumsdiskussion „Kunst im öffentlichen Raum“ (v.l.): Oliver Keymis Kristina Scepanski, Eva-Maria Jazdzejewski und Kasper König. (Foto: rc)

Gut einen Monat vor Eröffnung der Skulptur.Projekte 2017 interessieren sich offensichtlich viele Münsteraner für das Thema „Kunst im öffentlichen Raum“. Jedenfalls reichten am Freitagabend die Stühle nicht aus, um allen Platz zu bieten, die an der Diskussion im Foyer der Bezirksregierung Münster am Domplatz teilnehmen wollten. Eingeladen hatte der Verein Debatte e.V.  nicht nur die Bürger der Stadt, sondern auch hochkarätige Gäste für das Podium: den Kurator und ehemaligen Direktor des Museums Ludwig in Köln Kasper König, die Geschäftsführerin des Westfälischen Kunstvereins Kristina Scepanski sowie Oliver Keymis, den Vizepräsidenten des Landtags NRW und Sprecher der Grünen im Ausschuss für Kultur und Medien.

Viele waren offenbar wegen Kasper König gekommen. Schließlich hat er sich 1977 zusammen mit Klaus Bußmann die Skulptur.Projekte ausgedacht, mit der sie die damals noch ziemlich bornierten Münsteraner mit der Welt der modernen Plastik konfrontieren wollten. Inzwischen regt sich hier kaum noch jemand über Kunst im öffentlichen Raum auf. Die „Giant Pool Balls“ von Claes Oldenburg sind sogar zu so etwas wie ein Markenzeichen der Stadt geworden, und viele fiebern der nächsten Auflage der Skulpturenausstellung entgegen, die am 10. Juni eröffnet wird.

„Ist das Kunst oder soll das nur stören?“ – diese Frage war der Veranstaltung als provozierendes Motto vorangestellt. Über moderne Kunst allein regt sich in Münster heute niemand mehr auf, anders als 1977 und auch noch 1987, das war schnell klar. Da muss das einzelne Kunstwerk selbst schon ziemlich verstörend sein oder zumindest im Weg stehen – oder den Blick auf ein beliebtes Werk verstellen. So etwas ist diesmal in einer Kooperation mit dem Westfälischen Kunstverein geplant, der seit dem Umbau des Landesmuseums in eigenen Räumen residiert und sich den Vorplatz gegenüber dem Aegidiihof mit dem Museum teilt. Dort ist nun für diesen Sommer eine Installation von Cosima von Bonin und Tom Burr geplant, bei der ein großer Tieflader den Weg verstellt und die Bronzeplastik von Henry Moore kommentiert, die dort noch als „Überbleibsel“ der im April beendeten, erfolgreichen Ausstellung im LWL-Museum steht. Dies verriet Kristina Scepanski, die den New Yorker Tom Burr während der Dauer der Skulptur.Projekte in einer Einzelausstellung präsentiert, schon mal als „Sneak Peak“ vorab. Ob sich wirklich viele Münsteraner daran stören werden, wird sich dann zeigen.

Viele Bürger kamen zur Veranstaltung ins Foyer der Bezirksregierung Münster. (Foto: rc)
Viele Bürger kamen zur Veranstaltung ins Foyer der Bezirksregierung Münster. (Foto: rc)

Zu störend wäre wohl die Installation von Santiago Sierra geworden, der auf den gesamten Weg vom Schlossplatz zum Schloss einen langen, mobilen Grenzzaun aufstellen lassen wollte, wie er an der ungarischen Grenze gegen Flüchtlinge aus Syrien eingesetzt wurde. Der Zaun hätte aber wegen der vielen Veranstaltungen vom Send über Flohmarkt bis zum Turnier der Sieger immer wieder  ab- und wieder aufgebaut werden müssen, was der Aussage zuwider gegangen wäre. Woran sich die Kunstexperten selbst immer wieder reiben, ist das LWL-Logo inmitten der Lichtinstallation von Otto Piene. Nur fehlte hierfür der richtige Ansprechpartner auf der Bühne, denn dafür war Oliver Keymis als Landespolitiker nicht zuständig. Er hob immerhin hervor, dass der Kulturetat in den letzten Jahren deutlich erhöht worden ist, allerdings auf ein immer noch bescheidenes Niveau, wenn man es mit dem Rest vergleicht. Trotz des für andere Bundesländer vorbildhaften Kulturfördergesetzes von NRW pries er die Freiheit der Städte, ihren eigenen Lebensraum zu gestalten und auch mal etwas quer zu stellen.

Es sollte eine offene Debatte zur Kunst im öffentlichen Raum werden, aber an dem Abend drehte sich dann doch fast alles um die Skulptur.Projekte und um Kasper König. Der machte sich dabei auch Sorgen darum, wie sich Münster in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren entwickelt. Es reiche nicht, dass wohlhabende Pensionäre hierher ziehen, meinte er, „das Paradiesische hier ist kein Ort, in dem Zukunft geschieht“. Er wünscht sich als Kontrast auch einen Ort, „an dem mal eine Punkband entsteht, eine gewisse Härte“.

Auch als das Publikum sich im zweiten Teil der Veranstaltung mit Fragen und Meinungen an der Debatte beteiligen konnte, richteten sich die meisten an Kasper König: wo bekommt man Informationen? Warum stehen die Skulpturen fast nur im „Disneyland“ von Prinzipalmarkt und Aasee und nicht in Berg Fidel, Kinderhaus oder am Hawerkamp? Was antwortet er auf die Kritik von Stefan Bergmann in der na dann, dass die Skulptur.Projekte mit der Absage an Santiago Sierra ein starkes Signal verpasst habe. Und bekommt er auch etwas von den heimischen und weniger bekannten Künstlern aus dem Umfeld von B-Side und Hawerkamp mit, die eine „Schatten-Skulptura“ veranstalten wollen?

Selbstverständlich blieb Kasper König keine Antwort schuldig. Dabei griff er auch lokalpolitische Themen wie das Metropolis-Hochhaus am Bahnhof auf: „Alles wird missbraucht – wo kann ich Kohle machen und wo kann ich noch mehr Kohle machen?“ Für eine weitere Debatte dieser Art wünschte er sich genauso wie Kristina Scepanski, dass auch bildende oder darstellende Künstler für das Podium eingeladen werden.

Termine und Links:

"Skulptur.Projekte 2017" | 10. Juni–1. Oktober 2017 | https://www.skulptur-projekte.de/#/

Ausstellung Tom Burr "Surplus of Myself" beim Westfälischen Kunstverein | 10. Juni – 1. Oktober 2017 | http://www.westfaelischer-kunstverein.de/

www.debatte-muenster.de

Facebook: Debatte Münster | Skulptur Projekte | Westfälischer Kunstverein

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