Bernhard Trecksel über seine Fantasy-Liebe

Erstlingswerk nebst Autor: Bernhard Trecksel mit Nebelmacher. (Foto: ar)
Erstlingswerk nebst Autor: Bernhard Trecksel mit Nebelmacher. (Foto: ar)

Bernhard, dem Münsteraner Publikum dürftest Du noch durch Deine polemischen Kinokritiken bekannt sein, nun also erscheint Dein erstes Buch, Nebelmacher. Ein Fantasyroman, bei dem es um eine Art Auftragsmörder geht – es klingt nach einer Mischung aus Mythologie und zugleich Thriller …?

Es ist im Prinzip Fantasy mit einer eigenen Mythologie, aber es ist keine klassische Fantasy; es gibt keine Elfen, Zwerge oder Orks, sondern nur menschliche Charaktere. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass vier Leute in eine Situation hineingezogen werden, die außer Kontrolle gerät. Das eine ist Ormgair, ein Barbar, ein verwilderter Nordmann aus einer kargen Steppenlandschaft, der loszieht, um als alter Mann noch ein letztes Mal eine große Tat zu vollbringen. Dann Clach, der Totenkaiser, ein Assassine, der feststellt, dass jeder die Arbeit, die er gemacht hat, aus einem mystischen Grund zu vergessen scheint. Und die Tempelritterin Morven, die die Tochter eines mächtigen Potentaten in der Welt ist. Sie versucht als Frau in einer Männerwelt ihren Weg zu gehen und kommt dabei dieser Geschichte auf die Schliche. Und schließlich Inquisitor Greskegard. Das ist ein Hexenrichter, der in dieser sehr magiephobischen Welt Magier und Hexer jagt. Doch dieser Greskegard verfolgt eigentlich eine ganz eigene Agenda.

Du erwähntest gerade Clach, den Totenkaiser. In Deinem Buch tauchen fremdartige Worte auf, die der Totenkaiser spricht – planst Du womöglich wie Tolkien eine eigene Sprache zu kreieren? Aus welcher Sprache stammen diese Begriffe?

Nein, diese Begriffe sind zum Großteil Verballhornungen aus nordischen und keltischen Sprachen, die ich dann zusammengefügt habe. Zum Beispiel hat Ormgair eine Bedeutung: Orm ist soviel wie Schlange und -gair ist eine Verballhornung des Wortes „Stein“, er heißt also Ormgair Steinviper – das sind sprechende Namen; ich habe einfach ausgewählt, was aus meinen Literaturwissenschaftsstudien, vor allem aus der Skandinavistik und meiner Liebe zum Englischen übrig geblieben ist. Da muss man ehrlich sein – ich bin zwar studiert, aber ich bin kein praktizierender Linguist, und Tolkiens Vernarrtheit in diese sprachlichen Details ist bei mir das genaue Gegenteil: Ich schreibe charakterzentrierte Fantasy.

Du bist ja insgesamt ziemlich breit aufgestellt – arbeitest bei mann.tv, hast Kinokritiken geschrieben, als Übersetzer gearbeitet – wie kam es dazu?

Ich bin aus Nebenjobs an der Uni zu diesen verschiedenen Portalen gekommen. Ich habe angefangen in einer Erwachsenenvideothek zu arbeiten und bin dann durch Zufall beim Stadtgeflüster-Verlag gelandet. Da habe ich Blut geleckt für Schreibarbeiten jeder Art. Durch die Arbeit in der Videothek hatte ich Erfahrung mit Filmen. Und weil ich zu der Zeit von der Uni her schon halbfertiger Kulturwissenschaftler war und ich beides gut miteinander vereinen konnte, habe ich angefangen, fürs Stadtgeflüster ins Kino zu gehen, Filme zu schauen und darüber zu schreiben. Eine Zeitlang habe ich darin auch meine Kernkompetenz gesehen, habe aber irgendwann auch gemerkt, dass das klassische Kritikschreiben tot ist. Es ist gestorben, weil mittlerweile jeder eine HD-Kamera und ein Youtube-Konto hat und das, was er damit tut, schauen sich Hunderttausende an.

Und das wäre für Dich keine Option gewesen, zu sagen: Ok, dann mache ich jetzt meinen eigenen Youtube-Channel auf und hau da meine Kritiken heraus?

Ich bin tatsächlich ehrlich genug zu sagen, dass ich ein solcher Selbstdarsteller bin, dass ich das vielleicht irgendwann noch mal mache. Einfach diesen polemischen Stil meiner alten Filmsachen und sowas per Kamera und wüstem Geschrei an den Mann bringen und (lacht) mich so richtig derbe über Dinge zu ärgern! Das kommt im Internet immer gut an, wenn Leute sich aufregen und „ranten“, wie man das so schön nennt!

Bernhard Trecksel reist per Standuhr in fremde Zeiten. (Foto: ar)
Bernhard Trecksel reist per Standuhr in fremde Zeiten. (Foto: ar)

Wenn ich mich hier so umgucke – ihr habt hier eine ganz witzige Standuhr … 

Meine Frau und ich fanden es ganz witzig, hier in der Wohnung eine Cthulhu-Ecke einzurichten. Wir sind beide riesen Fans des Cthulhu-Mythos aus der Feder H. P. Lovecrafts und des dazugehörigen Rollenspiels. Da kämpft man in den 20er Jahren gegen das Übernatürliche – und Standuhren spielen als Portale in andere Welten eine besondere Rolle. Nur, eine echte Standuhr kostet viel, sowohl Platz als auch Geld. Und einer muss die putzen, das sind wahre Staubfänger. Daher die Ikea-Lightversion.

Ok, es gibt verschiedene Figuren, Du hast u. a. diese Figur der Kriegerin – was würdest Du denn sagen, ist Fantasy nur für eine männliche Leserschaft? An wen richtet sich Dein Buch?

Generell denke ich, dass jeder etwas mit dem Roman anfangen kann, der auf schnelle Action steht und auf große, epische Konflikte. Ich glaube, die Leute suchen sich ihr Buch selber aus. Ich halte nicht viel davon, Sachen auf eine bestimmte Klientel maßzuschneidern, aber gleichzeitig ist es eben auch so, dass ich Fantasyautor bin, weil ich dieses Genre und diese Subgenres, die es gibt, liebe. Und natürlich schreibe ich für Menschen, die diese Genres ebenso mögen.

Aktuell ist ja George R. R. Martin mit seiner Game-of-Thrones-Reihe sehr erfolgreich. Auch Joe Abercrombie ist ein Vertreter der Blutig-und-schmutzig-Fraktion – wie stehst Du dazu, sind das literarische oder auch reale Vorbilder für Dich?

Joe Abercrombie auf jeden Fall, ich habe seine Klingen-Bücher verschlungen. Das, was ich schreibe, geht in eine ähnliche Richtung: Es ist derb, es wird viel gestorben, Menschen tun Dinge miteinander, die nicht immer schön sind. George R. R. Martin habe ich auch sehr gerne gelesen. Aber an der HBO-Serie mag ich nicht, wohin sich das Dreckige entwickelt – das wird mir zu krank. Man merkt schon, dass es mit zunehmendem Fortschritt nur um die Edginess geht – also eine gewisse Edginess soll ja ruhig da sein. Aber es gibt bei allem Grenzen. Martin ist natürlich ein Vorbild für mich, er scheint außerdem ein extrem netter Typ zu sein, was man so auf arte und in Interviews von ihm sehen konnte. Bezogen auf die Fernsehserie kann ich nur sagen: Das wird mir zu übel, zu krass. Gewalt nur noch um Gewalt zu zeigen, als Selbstzweck – das mag ich nicht.

Vor einigen Jahren gab es von Wolfgang Hohlbein eine Doku-Soap: Wäre für Dich sowas vorstellbar?

Nein – niemals! Ich habe riesigen Respekt vor Hohlbein und dem, was er für die deutsche Fantasy gemacht hat. Wenn mich jemand fragt, was so die ersten Fantasybücher sind, die ich gelesen habe, dann fang ich eben nicht mit Tolkien oder so an. Hohlbein hat mich durch eine sehr trashige, coole Romanreihe, Der Hexer, zu H. P. Lovecraft gebracht. Und Lovecraft hat mich zu Robert E. Howard gebracht und damit zu Conan und dem ganzen Sword-&-Sorcery-Subgenre, das neben Tolkien leider immer untergeht. Wenn jemand Fantasy sagt, dann meint er immer Tolkien. Der Herr der Ringe erschien in den 50er Jahren, doch schon 20 Jahre davor gab es Robert E. Howard, der mit Conan eine Figur gestaltet hat, die popkulturell zwar auch beliebt ist, aber für den Fantasy-Laien auf keinen Fall so bekannt wie der tolkiensche Kosmos. Und ich komm eben aus der Robert-E.-Howard-Ecke, die amerikanische Literatur hat mich geprägt. Im Vergleich zu Mittelerdes Sprachvielfalt und Lyrikverliebtheit ist diese Pulp-Literatur wie ein Streithammer oder ein Breitschwert: einfach nur straight und actiongeladen.

Raucht auch gerne mal ein Pfeifchen: Bernhard Trecksel bei der Arbeit. (Foto: ar)
Raucht auch gerne mal ein Pfeifchen: Bernhard Trecksel bei der Arbeit. (Foto: ar)

Was inspiriert Dich?

Alles. Inspiration in dem Sinne kriege ich, indem ich Dinge tue, die absolut profan sind, indem ich abwasche oder dusche oder laufen gehe. Dann fängt die Maschine irgendwie an zu arbeiten. Oder ich gehe die Straße hinunter und sehe zwei Leute. Ich sehe, wie die miteinander umgehen, und denke mir, er wird sie heute Abend umbringen. Und dann frage ich mich: warum? Und dann denke ich mir aus, dass sie gerade wütend ist, weil er ihre Schuhe nicht bemerkt und er ein Gesicht hat, das zeigt, es reicht ihm endgültig. Oder umgekehrt: Sie wird ihm Rattengift in den Kaffee tun, weil sie von seinem Stumpfsinn die Schnauze voll hat. Offensichtlich steckt also auch ein bisschen Krimiautor in mir.

Das war genau meine Überlegung, warum Du Fantasyromane schreibst und nicht Krimis.

Weil ich aus der Fantasy-Ecke komme. Ich bin Rollenspieler, sitze seit 24 Jahren mit anderen bei Cola und Chips um den Tisch, wo wir Orks totwürfeln, Prinzessinnen retten, Drachen erlegen und andere coole Dinge tun, die den meisten Leuten nur ein Kopfschütteln entlocken würden. Das ist die Macht der Narration, der Phantasie. Wobei mir sehr wichtig ist, dass Rollenspiel für mich bedeutet, an einem Tisch zu sitzen und zu würfeln, kein LARP (Live Action Role Playing, Anm. d. Verf.). Also ich habe einen hohen Respekt für die Leute, die sich verkleiden, da stecken ein Handwerk und coole Fertigkeiten dahinter. Aber ich find es schade, dass immer, wenn man Menschen auf einer Party sagt: „Ich bin Rollenspieler“, zurückkommt: „Ach, du rennst verkleidet als Ork durch den Wald?“ Die Wurzeln dieses Hobbys liegen am Tisch, im Pen and Paper, das ist, was ich mache. Und diese Art Rollenspiel liebe ich, denn da geht es um Narration und nicht um Verkleidung und Schauwerte.

Du kommst ja gebürtig aus Papenburg, bist zum Studium nach Münster gekommen und lebst hier immer noch: Was schätzt Du an dieser Stadt und was geht Dir auf die Nerven?

Also ich schätze, dass es hier ruhig ist. Es ist einerseits ländlich und sehr entspannt hier, die Leute sind meist höflich und nett und du kannst nachts um 4 am Prinzipalmarkt herumlaufen, ohne dass Dir einer ein Springmesser in die Rippen treibt. Diese Ruhe ist sehr angenehm und gleichzeitig hast du eben auch alles, was eine Großstadt braucht – Kinos, Cafés und Restaurants. Wenn ich um drei Uhr morgens einen Cocktail trinken will, wird irgendwas aufhaben, was nicht wie auf dem Land Sperrstunde hat. Was mir auf die Nerven geht: die unerhört hohen Mietpreise, die Hamburg und München nacheifern. Und ich komm nicht auf die Namen mancher Restaurants klar. Ich find die Bewegung mit den veganen Restaurants an und für sich ganz cool, aber ich frag mich ernsthaft, wer die Namen erfunden hat! (Mit einem Grinsen): Essen top, Namen Flop!

Wir verlosen  zwei Exemplare des Fantasyromans. Einfach unser Gewinnspielformular ausfüllen und das Stichwort Nebelmacher angeben. Das Gewinnspiel beginnt sofort und endet am 27.06.15 um 18:00 Uhr. Die Teilnahmebedingungen seht ihr hier.

 

 

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