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Besonders konnte Hannah Sieh (m.) in ihren zahlreichen Männerrollen überzeugen. (Foto: Klaus Lefebvre)
Besonders konnte Hannah Sieh (m.) in ihren zahlreichen Männerrollen überzeugen. (Foto: Klaus Lefebvre)

Die Lehman Brothers sind aktuell, schon allein wegen der Turbulenzen um die Deutsche Bank. Aber es ist nicht nur die Bankenkrise, die da zurzeit im Borchert-Theater auf die Bühne gebracht wird. Es ist die Geschichte vom ersten Lehmann, Henry,  der seinen Koffer über Pier 4 des New Yorker Hafens schiebt, von dessen Söhnen und Enkeln und schließlich der fremden Übernahme des Familienunternehmens. Genauso gut ist es ein gewaltiges Stück amerikanische Geschichte: „Lehmann Brothers – Aufstieg und Fall einer Dynastie“ von Stefano Massini feierte gestern Abend Premiere.

Was die Zuschauer in 4 Stunden miterleben dürfen, ist enorm und fordert gute Kondition und intakte Sinnesorgane. Zwei Pausen sind da auch nötig. Immerhin geht es um einen Zeitraum von 164 Jahren. Die drei jüdischen Lehmann-Brüder, Henry, Emanuel und Mayer wandern aus Bayern in die USA ein, nicht gemeinsam, doch über einen Zeitraum von 6 Jahren. Dort handeln sie zunächst mit Tuchwaren, dann mit Baumwolle. Auf der Bühne halten die Schauspieler Monologe, sprechen eher zum Publikum als miteinander. Das ist aber gut gemacht. Bevor es zu Ermüdungserscheinungen kommen kann, wechseln die Sprecher.

Besonders überzeugend wirkt Hannah Sieh in zahlreichen Männerrollen. Oben, also quasi in der ersten Etage auf einer Metallempore spielt Manfred Sasse Keyboard, Mundharmonika oder er trommelt hinter einer Leinwand, auf die zwischendurch kleinere Filmsequenzen projiziert werden. Während sich das Imperium langsam entwickelt, von der Baumwolle zu Kaffee, Erz, Kohle, Öl, Eisenbahn werden die Theaterbesucher Zeitzeugen, wie ein Ford-T-Modell in 93 Minuten zusammen geschraubt wird. Henry Ford mit der Stoppuhr in der Hand vor einem staunenden Philipp Lehmann. Einer der Fabrikarbeiter ist übrigens Charlie Chaplin, eine wirklich gelungenes Bonbon. Philipp jedenfalls ist es dann auch, der dessen Vater und Onkel über die Gewinnmargen aufklärt: „0,0 und 0,0 und 0,irgendwas.“ Die Alten sind schon aus dem Geschäft gedrängt, da gilt es, eine Bank zu eröffnen. Und Philipp, großartig: Sven Heiß, entwickelt Gespür. Was er anfasst, wird zu Gold, sogar seine Gattin sucht er anhand eines Punkteschemas aus – was funktioniert.

Sein Sohn Robert oder auch liebevoll Bobby genannt will aber lieber Jockey werden. Zwar kann Bobby das Familienunternehmen noch einmal retten, als sich am schwarzen Donnerstag 1929 an der Wallstreet reihenweise Wertpapierhändler erschießen. Den späteren Niedergang kann er aber auch nicht aufhalten. Eine gelungene Inszenierung von Tanja Weidner. Alle sechs Schauspieler und der Musiker überzeugen ebenfalls. Über kleinere Pannen kann man locker hinwegsehen, immerhin handelt es sich ja um ein „Monumentalstück“.

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